Vom 7. – 13.9.2014 besuchten unter der Leitung von Michael Derrer, Dozent an der Hochschule Luzern – Wirtschaft und Unternehmensberater für Osteuropa, 32 Studierende aus dem gemeinsamen Masterstudiengang Major Public and Nonprofit Management der Hochschule Luzern - Wirtschaft und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW die Stadt Warschau.
Das Programm bot eine Mischung aus verschiedenen Lernformen. In Vorträgen zur Geschichte und Politik wurde uns Polens langer Kampf zur Selbstbestimmung bewusst. Als tragischer Schauplatz der Auseinandersetzungen zwischen nationalsozialistischer Skylla und stalinistischer Charybdis war die Stadt Warschau vor 70 Jahren vollständig zerstört worden. Und es ist noch keine 25 Jahre her, dass sich die Polen die Chance für eine selbständige Entwicklung erkämpft haben.
Wir erhielten die seltene Gelegenheit, uns mit wichtigen Persönlichkeiten der ehemaligen Solidarnosc-Bewegung zu unterhalten. Während der Visite des Präsidentenpalastes, Arbeitsort des polnischen Staatsoberhaupts, bestaunten wir die Räume, in denen sich Schlüsselereignisse der Weltgeschichte abspielten, z.B. die Gründung des Warschauer Pakts, oder der „Runde Tisch“ von 1989, der das Ende der kommunistischen Regimes in Osteuropa einleitete.
Die Frage, ob sich Polen eine liberale Wirtschaftsordnung geben oder stattdessen an der sozialen Marktwirtschaft orientieren soll, stellte sich vor zwei Jahrzehnten und bleibt bis heute aktuell - sie wurde von zwei Ökonomen in einem eigens für uns veranstalteten Streitgespräch engagiert debattiert.
Durch die Diskussion mit drei lokalen NGOs, die auch dank Geldern aus dem Schweizer „Erweiterungsfonds“ für die neuen EU-Länder agieren, erhielten wir Einblick in die aktuellen Herausforderungen der polnischen Gesellschaft. Der Besuch von Stadler Polska, einer Auslandsinvestition des Schweizer Schienenfahrzeug-Konstrukteurs, und das Gespräch mit seinem Direktor liess uns die Chancen, Schwierigkeiten und Risiken der internationalen Geschäftstätigkeit erkennen.
Auch wenn es stimmt, dass „Język polski jest skomplikowany – tak!“, ja, die polnische Sprache also schwierig ist, konnte die sympathische Sprachlehrerin in den morgendlichen Lektionen einige Wörter und Wendungen vermitteln, die den Zugang zur fremden Kultur erleichtern. Auch über die traditionelle polnische Küche und den Besuch typischer Warschauer Restaurants tauchten wir in die lokale Kultur ein. Dank unserem auf Originalität bedachten Stadtführer wurden wir an zwei Nachmittagen an Orte gelotst, denen man in einer herkömmlichen Stadtbesichtigung keine Beachtung schenken würde.
Die Studierenden waren nicht nur passive Beobachter – sie erstellten auf der Grundlage eines Readers mit aktuellen Artikeln selbständig eine SWOT-Analyse für das Land Polen. In einer Gruppenarbeit verfassten sie einen Marketingplan für eine polnische Region oder konzipierten ein Projekt mit sozialer Zielsetzung.
Polen wird aus der Schweiz zumeist als peripheres Land wahrgenommen. Angesichts der beeindruckenden wirtschaftlichen Erfolge der letzten Jahre, aber auch der aktuellen geopolitischen Entwicklungen drängt sich die Erkenntnis auf, dass Polen nicht nur ein zentraler Angelpunkt der Weltgeschichte war, sondern auch künftig in Europa eine bedeutende Rolle spielen wird.
Michael Derrer