Maurizio Tuccillo ist heute tätig als Studienleiter des CAS Cyber Investigation & Digital Forensics und selbständiger Sachverständiger in Bereich der Digitalen Forensic. Per Zufall, sagt er, ist er 2006 auf ein Stelleninserat der Hochschule Luzern gestossen. Ausgeschrieben war damals eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich IT-Forensik. Er sagte sich in diesem Moment "Das kenne ich (noch) nicht – das interessiert mich – das probiere ich". Innerhalb des Einstellungsprozesses wurde ihm gleich eine Stelle als Dozent angeboten und seitdem ist er ein Teil der Hochschulfamilie. Aufgrund seiner Expertise in einer Welt, die für viele nur aus Krimis bekannt ist, möchten wir Ihnen einen spannenden Einblick in die Welt eines IT-Forensiker in Form eines Interviews geben.
Wie ist denn eigentlich Ihr genauer Titel?
Das hängt etwas davon ab, in welcher Rolle ich unterwegs bin. Meist werde ich als «IT-Forensiker» oder dann als «sachverständiger Gutachter digitale Forensik» bezeichnet.
Wie werden Sie beauftragt?
Eine Beauftragung von behördlicher Seite ist in der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Von Gerichten werde ich normalerweise mittels einer Verfügung eingesetzt, während Staatsanwaltschaften mich meist mittels eines Gutachtensauftrags zum sachverständigen Gutachter ernennen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass die Sachverständigen stets persönlich ernannt werden und damit auch persönlich alle Aussagen verantworten.
Und wie sind Sie mit dieser Aufgabe an die Hochschule Luzern gekommen?
Wie gesagt war die Hochschule am Anfang dieser Entwicklung. Hier bin ich erstmals mit der Thematik in Kontakt gekommen. Meine erste Aufgabe war es, den Kurs «Cybercop» für polizeiliche Ermittler zu leiten. Daraus hat sich dann über die Jahre eine grössere Lehrtätigkeit und darüber hinaus eine ausgedehnte Zusammenarbeit mit Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten entwickelt.
Warum möchten Sie Personen darin lehren, diese Tätigkeit auszuführen?
In dieser äusserst vielfältigen Tätigkeit liegt meiner Ansicht nach eine grosse Verantwortung. Es ist daher wichtig, gewissenhaft, methodisch und sorgfältig vorzugehen. Dies setzt eine entsprechend fundierte Ausbildung voraus, zu welcher ich meinen Beitrag leisten möchte.
Was macht eigentlich ein Digital Forensiker?
Bei Ermittlungen zu Delikten resp. Vorgängen mit potentiell deliktischem Hintergrund spielen seit Jahren digitale Spuren eine wichtige Rolle. Die Aufgabe des Digital Forensikers besteht darin, diese Spuren zu identifizieren, zu erheben, aufzubereiten und zu analysieren, um daraus schliesslich gerichtsfeste, fallrelevante Informationen (Indizien) abzuleiten.
Wie verfolgen Sie eine Spur und welche Mittel haben Sie zur Verfügung?
Die Auswertung der Spurenlage ist meist ein iterativer Prozess: Man stellt eine Hypothese auf, wie sich eine Sache abgespielt haben könnte, sucht in den Daten nach Belegen, welche die Hypothese stützen oder eben widerlegen, passt die Hypothese entsprechend an und geht in eine neue Runde der Überprüfung. Am Schluss sollte ein belastbares Bild der untersuchten Vorgänge entstehen.
Was die Mittel angeht, sprechen wir vielleicht zuerst darüber, was häufig fehlt: genügend Zeit. Aufgrund der stetig steigenden Datenmengen und zahlreicher Schutzvorkehrungen auf den untersuchten Spurenträger, nehmen solche Auswertungen in der Regel viel Zeit in Anspruch. Natürlich verfügen wir über entsprechendes technisches Equipment, um mit solchen Herausforderungen umzugehen. So einfach und schnell wie bei CSI geht es jedoch nie 😉.
Was war Ihr spannendster Fall?
Auf Anhieb fällt mir da ein Fall ein, bei dem es in einem an sich unbestrittenen Delikt darum ging, anhand von mehreren Videosequenzen die exakte Dauer des Vorgangs zu bestimmen. Das war eine recht knifflige Detailarbeit, in der wir die unterschiedlichsten Zeitinformationen zusammentrugen, um schliesslich die Videoszenen exakt auf einer Zeitachse einordnen zu können.
Bei welcher internationalen Fällen konnten Sie schon behilflich sein?
Nun es gab schon einige international koordinierte Operationen gegen Pädophilie, zu denen ich auch ein Mosaik-Steinchen beitragen konnte. Auch im Zusammenhang mit den Untersuchungen zu den Panama Papers konnte ich gewisse Auswertungen beisteuern. Schliesslich bin ich auch schon zu ausländischen Rechtshilfebegehren bei Wirtschaftsdelikten beigezogen worden.
Was war für Sie ihr unheimlichster Zeitpunkt in dieser Tätigkeit?
Solche Untersuchungen sind für alle Beteiligten zumindest unangenehm, manchmal gar belastend: Für die untersuchten Personen genau so wie für die Ermittler und Forensiker. Richtig unheimlich ist es aber selten.
Ich kann mich aber an eine Hausdurchsuchung erinnern, bei der es mir richtig mulmig wurde. Auf der Suche nach IT-Spuren, stiessen wir an mehreren Orten auf Handfeuerwaffen. Zudem hatten wir Hinweise, dass irgendwo ein Kampfhund sein musste. Ich fürchtete, dass mich das Tier plötzlich anfallen könnte. Zum Glück kamen dann aber weder die Waffen zum Einsatz, noch tauchte das Tier auf. Trotzdem war ich froh, den Ort schnell wieder verlassen zu können.
Sind Sie stolz auf ihre Arbeit und warum?
Stolz? Ich weiss nicht, ob das die richtige Bezeichnung ist. Natürlich bin ich der Meinung, dass es sich um eine notwendige und wichtige Arbeit handelt, die zum Funktionieren eines Rechtsstaats beiträgt.
Warum sollte man sich für die Weiterbildung CAS Cyber Investigation & Digital Forensics anmelden?
Im CAS Cyber Investigation & Digital Forensics (CIDF) geht es um die Befähigung der Absolvierenden, in komplexen ICT-Umgebungen (Cyberspace) digitale Spuren zu identifizieren, zu analysieren und zu interpretieren, um daraus gerichtsfeste, fallrelevante Informationen (Indizien) abzuleiten. Der CAS CIDF richtet sich damit in erster Linie an Ermittler*innen und Forensiker*innen aus der Strafverfolgung.
Die Aufgaben sind jedoch in zunehmendem Mass interdisziplinär, weshalb wir es sehr begrüssen, wenn auch Vertreter*innen von Staatsanwaltschaften, Gerichten und der Privatwirtschaft teilnehmen. Im Gegensatz zum früheren CAS Cybercop ist der CAS CIDF daher öffentlich zugänglich.
Falls Sie nun auf den Geschmack gekommen sind und mehr Informationen erfahren möchten, melden Sie sich doch zur Info-Veranstaltung des CAS Cyber Investigation & Digital Forensics an.