Markus Schmidiger, ist Wohnen in der Schweiz zu teuer?
Durchschnittlich wendet ein Haushalt 15 Prozent seines Budgets für Wohnen und Energie auf. Dieser Anteil hat sich in den letzten Jahren nicht verändert. Anders die Ansprüche, die sind explodiert. Ein Beispiel: Heute beansprucht jede Person in der Schweiz 45 Quadratmeter Wohnfläche, das sind 40 Prozent mehr als 1970. Deshalb würde ich nicht grundsätzlich sagen, dass Wohnen hier teuer ist.
Eine Zürcherin auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung würde widersprechen.
In den Ballungsräumen entstehen zu wenige Wohnungen, um den Bedarf zu decken. In der Konsequenz sind die Preise hoch.
Über mangelnde Bautätigkeit können wir uns in der Schweiz aber nicht beklagen. Von 2012 bis 2014 wurden jährlich zwischen 43’000 und 50’000 neue Wohnungen erstellt.
Tatsächlich ist Bewegung in den Wohnungsmarkt gekommen. Grund dafür ist der Anlagedruck der Pensionskassen. Statt der Bank Negativzinsen zu entrichten, investieren sie ihr Geld in Immobilien. Zudem haben die Investoren dazugelernt: Bauten sie vor ein paar Jahren noch mehrheitlich grosse Luxuswohnungen, setzt sich langsam das Bewusstsein durch, dass kleinere Wohnungen gefragter sind. Und die Zuwanderung geht zurück. Dies alles führt dazu, dass wir schweizweit derzeit gar von einem leichten Überangebot auf dem Wohnungsmarkt sprechen können und die Mietzinse unter Druck geraten. Aber eben nicht überall.
Was ist der Grund dafür?
Weil viele Wohnungen am falschen Ort entstehen – also nicht dort, wo eine enorme Nachfrage besteht, wie etwa in den wirtschaftlichen Zentren. In ländlichen Gebieten hingegen ist das Angebot gross genug oder gar zu gross. Das Mietzinsniveau bewegt sich hier in einem vernünftigen Rahmen zwischen 180 und 200 Franken pro Quadratmeter.
Wieso schafft es der «konventionelle Markt» nicht, in den Ballungsräumen genügend Wohnraum – auch preisgünstigen – zu erstellen?
Die Städte und Agglomerationsgemeinden reden zwar alle von Verdichtung. Wenn es jedoch darum geht, Gebiete aufzuzonen und eine höhere und engere Bauweise zu ermöglichen, krebsen viele zurück. Es braucht also mehr Mut, wollen wir mehr Menschen auf der gleichen Siedlungsfläche unterbringen. Und einen Abbau von Vorschriften. Diese verteuern und verlängern den Bauprozess teilweise unnötig.
Welche Rolle spielen Wohnbaugenossenschaften in der Schweizer Wohnbaupolitik?
Sie sind in Ballungsräumen wie Zürich und Luzern wichtige Akteure. Sie verfügen in diesen Regionen über einen relativ hohen Marktanteil und bieten preisgünstigen Wohnraum. Zudem sind viele Wohnbaugenossenschaften innovativ. Sie dienen konventionellen Anbietern durchaus als Vorbild in Sachen Quartierentwicklung, Wohnkonzepte und Grundrisse.
Also bräuchte es mehr gemeinnützige Wohnbauträger?
Nicht unbedingt, sie bilden einen Parallelmarkt, weil sie für ihre Wohnungen eine Kostenmiete verlangen: Die Miete deckt nur die effektiven Kosten, weil die Organisationen keinen Gewinn erzielen wollen. Eine Pensionskasse, die die Spargelder ihrer Anleger angemessen verzinsen muss, kann da nicht mithalten. Deshalb ist es ordnungspolitisch problematisch, wenn der Staat gemeinnützige Wohnbauträger mit fast kostenlosen Darlehen und Landbezügen zu Vorzugsbedingungen begünstigt, ohne dies an Bedingungen zu knüpfen.
Was für Bedingungen?
Eine staatliche Bevorzugung macht nur Sinn, wenn die Wohnungen für sozial benachteiligte Personen erstellt werden. Dafür braucht es festgelegte Belegungsvorschriften oder Einkommensobergrenzen.
Interview: Yvonne Anliker