Man kennt es: Während Stosszeiten kann es schwierig sein, im öffentlichen Verkehr einen Sitzplatz zu ergattern (zumindest vor Corona). Jedoch gibt es brach liegendes Potenzial. In der Gesamtbetrachtung sind die Züge nämlich alles andere als voll. Während am Morgen und am Abend eine hohe Pendler-Nachfrage herrscht, betrug im Schweizerischen Fernverkehr die durchschnittliche Auslastung der Sitzplätze im Jahr 2019 nur knapp 30%.
Eine Möglichkeit dieses Potential auszuschöpfen sind Sparbillette, Tickets mit einem Rabatt von bis zu 70% auf den regulären Preis. Ab 2015 erhöhten die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) in Abstimmung mit dem Preisüberwacher schrittweise das Angebot an Sparbilletten. Bei diesem Kompromiss handelte es sich um eine Art Rückerstattung von Preiserhöhungen im öffentlichen Verkehr per Dezember 2014, die auf eine Deckungslücke im regionalen Personenverkehr zurückzuführen waren, den SBB im Fernverkehr jedoch zusätzliche Gewinne einbrachten.
In einem vom SBB-Forschungsfonds finanzierten Projekt analysierte das Kompetenzzentrum Mobilität der Hochschule Luzern gemeinsam mit Martin Huber (Universität Fribourg) und Jonas Meier (Universität Bern) die Nachfragewirkungen von Sparbilleten. Diese Wirkungsanalysen wurden mit modernsten statistischen Verfahren der künstlichen Intelligenz, dem sogenannten «maschinellen Lernen», durchgeführt. Untersucht wurde ein neuer Umfragedatensatz der SBB, welcher mit Daten zu Sitzplatzkapazitäten und Auslastungen einzelner Streckenabschnitte kombiniert wurde.
Dabei wurden einerseits relevante Determinanten gesucht, welche Kaufentscheidungen (beispielsweise Wahl des öffentlichen Verkehrs oder Klassenwechsel aufgrund eines Spartickets) vorhersagen können. Die Resultate deuten darauf hin, dass die Rabatthöhe, nachfragebezogene Attribute einer spezifischen Verbindung wie z.B. Abfahrtszeit und Auslastung, wie auch das Alter der Kundinnen und Kunden entscheidend für die Kaufentscheidungen sind.
Andererseits wurde die Lenkungswirkung der Sparbillette auf eine spezifische Gruppe von «unbedingten Käufer*innen» analysiert. Bei dieser Gruppe handelt es sich um Personen, welche die Reise auch ohne Rabatt angetreten hätten. Der Begriff «Lenkung» bedeutet, dass eine Bahnkundin oder ein Bahnkunde aufgrund eines Spartickets eine andere Abfahrtszeit wählte (z.B. weg von Stosszeiten). Die Ergebnisse zeigen, dass Rabatte von 30% oder mehr (verglichen zu Rabatten von weniger als 30%) den Anteil an gelenkten Kunden um 3.8 Prozent erhöhen. Weiter führt eine Erhöhung des Rabattes um einen Prozentpunkt zu 0.16 Prozentpunkte grösserem Anteil an gelenkten Kunden. Die Effekte sind grösser für Freizeitreisende und während Stosszeiten.