Erschienen in «Schweizerische Ärztezeitung», Ausgabe 43 vom 22. Oktober 2014
Mit Erstaunen habe ich festgestellt, dass nun auch in der Medizin die Tendenz, Qualität zu quantifizieren, vermehrt Einzug erhält. Die im Rahmen der LEAN-Implementierung am Institut für Pathologie Universität Bern eingeführten Massnahmen wie z. B. die Reduktion der Durchlaufzeiten für Untersuchungsmaterial, die Verkürzung der Wegstrecken oder die Einsparung von Arbeitsflächen, sind rein quantitative Indikatoren. Sie dienen zur Steigerung von Effizienz und Produktivität, sind aber wenig aussagekräftig bezüglich Qualität der Diagnose. Im Interesse einer nachhaltig wirkenden Organisationsentwicklung und v. a. aus Sicht des Patienten sind Kriterien wie die Fehlerquote bei Diagnosen, der Inhalt und die Güte der Befundberichte, der Wissenstransfer im Team und die Möglichkeit, Fälle mit der notwendigen Zeit und Konzentration diagnostizieren zu können entscheidender für die Qualität der Arbeit als die im Text erwähnten eingesparten 418 Meter pro Präparat. Unsere Erfahrung bei der Erforschung und Umsetzung von nutzerorientierten Arbeitsumgebungen haben in verschiedenen Studien und Umsetzungsprojekten deutlich gezeigt, dass eine Fokussierung auf Effizienz und Produktivität selten zu einer Erhöhung der Qualität von Arbeitsleistungen im Unternehmen führt. Stattdessen sind häufig Ineffektivität, Fluktuation und eine geringe Identifikation der Mitarbeitenden mit ihrem Unternehmen anzutreffen. Es stellt sich generell die Frage nach der Sinnhaftigkeit, Methoden aus der Produktionstechnik auf eine Expertenorganisation übertragen zu wollen. Die Kunst wird sein, trotz enormen Kosten- und Termindruck «Feuer» – im Sinne von Qualität – mit Glut zu entfachen und nicht mit Zeitungspapier.