Erkenntnisse aus Psychologie, Neurowissenschaften, Hörphysiologie und Akustik zeigen: Die Hörfähigkeit kann aktiviert, trainiert und aufrechterhalten werden. Gerade weil ihr Hörvermögen abnimmt, könnten ältere Menschen hier besonders von einer Verbesserung profitieren. Bisher wurden hörpädagogische Möglichkeiten jedoch nur selten mit älteren Menschen erforscht und erprobt.
Eine Forschungsgruppe der Hochschule Luzern erhielt nun durch einen Beitrag des Schweizerischen Nationalfonds die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit den Heimen Kriens Übungen zu entwickeln, zu erproben und zu evaluieren.
Ein Angebot für alle – unabhängig von Vorerfahrung
Die erprobten Angebote richteten sich ausdrücklich an alle interessierten Bewohnerinnen und Bewohner, unabhängig von musikalischer Vorerfahrung und davon, warum sie in den Heimen Kriens leben. «Wir wollten Menschen auf verschiedene Arten einbeziehen und es sollten unterschiedliche Kompetenzen zum Tragen kommen», sagt Dr. Patricia Jäggi, Hör- und Klangforscherin und Co-Leiterin des Projekts «Zuhören als Intervention».
Sonderbare Geräusche trainieren das Gehör
In einer Übung sollten die Teilnehmenden sich an ein Geräusch aus ihrer Kindheit erinnern – sei es ein quietschendes Scheunentor oder die Lastwagen vor dem Haus – und dann versuchen, dieses mit ihrer Stimme nachzubilden. Eine weitere herausfordernde Aufgabe waren sogenannte «grafische Notationen»: Eine Person stellte sich eine Klangfolge vor und zeichnete sie mithilfe geometrischer oder frei gezeichneter Formen auf. Die andere Person entwickelte daraus wiederum Klänge. «Ich war nicht sicher, ob das allenfalls überfordernd sein könnte. Aber manche blieben hartnäckig dran, versuchten es so lange, bis es so klang, wie sie es sich vorgestellt hatten», erinnert sich Patricia Jäggi. Auch Experimente, bei denen Teilnehmende Musik mit Steinen oder mit Laub machten, gehörten dazu. «Wir wissen, dass es einen Einfluss auf das Hören hat, wenn wir sonderbare Geräusche erzeugen. Das trainiert nicht nur die Sprechmuskeln, sondern auch das Gehör», erklärt Patricia Jäggi.
Kreativität fordert heraus und stellt Kontakt her
Dass die Heime Kriens bereits ein musikbasiertes Angebot und zudem Offenheit für neue Experimente hatten, war für das Projekt ein Glücksfall. Zum Heimalltag gehört bereits gemeinsames Singen und Musizieren, das Projekt wollte noch etwas mehr: Über kreative, akustische Momente miteinander in Kontakt kommen. Gemeinsam mit Bewohnenden kreative Freiräume auszuloten, war ein herausfordernder Prozess. «Manchmal hat etwas nicht geklappt. Dann suchten wir nach anderen Wegen, um Impulse für den individuellen Ausdruck zu geben.» Eine Bewohnerin hat dieses Spiel mit Klang und Hören angespornt: «Wenn die von der Hochschule so verrückte Sachen machen, dann können wir das längst auch» meinte sie zu einer Mitarbeiterin der Freizeitgestaltung im Heim.
Weihnachten: Singen als Geschenk
Die Forscherin erinnert sich an eine der berührendsten Erfahrungen im Heim kurz vor Weihnachten: Sie wartete mit einer Bewohnerin darauf, dass diese von den Pflegenden abgeholt wird. «Aus der Situation heraus ergab es sich, dass wir nochmals in das zuvor gemeinsam gesungene Kling Glöcklein kling einstimmten.» Sie begann, und im Refrain stimmte die Bewohnerin jeweils mit ein. «Dann haben wir nochmals gesungen, und zwar für das Pflegepersonal. Ich konnte spüren, wie viel Freude ihr das macht. Sie war sonst sehr stark auf andere angewiesen. Und nun bot sich ihr die Möglichkeit, mit ihrem Singen dem Pflegepersonal etwas zurückzugeben.» Älteren Familienangehörigen – zum Beispiel an einem Weihnachtsfest – eine solche Gelegenheit zu bieten, fügt sie hinzu, könnte den Moment für beide Seiten besonders machen.