Banking gehört für viele Schweizerinnen und Schweizer zum Alltag wie das tägliche Einkaufen: Im Durchschnitt treten Kundinnen und Kunden rund dreimal pro Woche mit ihrer Bank in Kontakt – ein Zeichen dafür, wie selbstverständlich Bankgeschäfte in den Lebensrhythmus integriert sind. Doch der Austausch zwischen Banken und ihrer Kundschaft hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Viele Transaktionen finden heute digital über E-Banking und Mobile Banking statt, während der klassische Besuch in der Bankfiliale an Bedeutung verliert. Die diesjährige Retail Banking-Studie erfasst, wie oft Kundinnen und Kunden mit ihrer Bank in Kontakt treten und welche Produkte und Dienstleistungen über welchen Touchpoint – online oder offline – nachgefragt werden. Die Ergebnisse basieren auf einer repräsentativen Befragung der Schweizer Bevölkerung.
Banking ist wie Einkaufen: Kundinnen und Kunden interagieren dreimal pro Woche mit der Bank
Bankkundinnen und Bankkunden in der Schweiz stehen erstaunlich häufig in Kontakt mit ihrer Bank: Im Durchschnitt finden 156 Kontakte über Touchpoints pro Jahr statt – also rund 3 pro Woche. Solche Interaktionsfrequenzen – auch wenn zumeist über digitale Touchpoints wie das Mobile Banking oder das E-Banking – erreicht sonst kaum eine andere Branche. Studienautor Prof. Dr. Andreas Dietrich sagt dazu: «Diese enorme Kontaktintensität ist für den Finanzsektor eine einzigartige Ausgangslage, die Banken bisher noch zu wenig nutzen. Die meisten Finanzinstitute erfassen und bespielen diese Touchpoints zu wenig systematisch – und lassen damit enormes Potenzial in der Kundenbindung sowie dem Cross- und Up-Selling liegen.» Denn wer datengetriebene Kundeninteraktion nutzt, steigert nicht nur Zufriedenheit und Bindung, sondern auch Erträge. Banken, die ihren Schatz an Kundenkontakten nutzen und diesen sinnvoll und personalisiert einsetzen, sichern sich also einen Wettbewerbsvorteil.
Das HSLU-Ranking der besten Retailbanken in der Schweiz zeigt: Insbesondere kleine Banken weisen sehr gute Werte auf. Jedoch gelingt fünf Kantonalbanken der Sprung unter die besten 15 Plätze. Um das Ranking zu ermitteln, hat das HSLU-Forschungsteam die Jahresabschlüsse von 2020 bis 2024 von 91 Instituten analysiert.
Zwischen digitaler App und analoger Filiale: Bankkunden entscheiden situativ
Je nach Komplexität des Geschäfts und Phase der Customer Journey (Informieren, Beraten, Abschliessen) bevorzugen die Kundinnen und Kunden digitale oder analoge Touchpoints. Damit bestätigt sich auch ein Wettbewerbsvorteil traditioneller Banken gegenüber rein digitalen Anbietern: Sie bieten auch analoge Kontaktmöglichkeiten, die weiterhin sehr wichtig sind. Insofern sind Strategien, die auf mehreren Touchpoints basieren, für den nachhaltigen Erfolg der Schweizer Retailbanken entscheidend. Die Mehrheit der Bankkundschaft kombiniert nämlich digitale und persönliche Touchpoints und wählt je nach Bedürfnis den bequemsten Weg. Banken sollten daher nahtlose Übergänge zwischen allen Touchpoints ermöglichen, damit Kundinnen und Kunden unkompliziert für ein Geschäft zwischen der Online- und der Offline-Welt wechseln können.
Die Bankfiliale bleibt ein Vertrauenspfeiler
Gemäss der Studie erfolgen nur noch rund 3 Prozent aller Kontakte über einen persönlichen Besuch in der Filiale. Dennoch ist der analoge Kontakt für viele Kundinnen und Kunden unverzichtbar und strategisch bedeutsam – insbesondere bei Beratung und Abschluss komplexer Geschäfte. Darunter fallen bei Banken ertragsstarke Themen wie Hypotheken, Vorsorge oder Anlageentscheidungen. Insbesondere beim Thema Hypotheken bevorzugen die meisten Befragten bereits in der Informationsphase (also noch vor der Beratung) den persönlichen Kontakt in der Filiale.
Bei den Retailbanken mit einer Bilanzsumme ab drei Milliarden Franken oder höher schneiden die Kantonalbanken besonders gut ab.
Banken haben Spielräume beim Filialnetz
Für diesen Austausch ist die Kundschaft bereit, Anreisezeiten zur Filiale von durchschnittlich maximal 24 Minuten in Kauf zu nehmen. Gleichzeitig liegt die aktuell durchschnittliche Anreisezeit vom Wohnort zur nächsten Filiale bei lediglich 13 Minuten. Zudem geben nur 16 Prozent der Befragten an, dass sich die Erreichbarkeit der Bankfilialen in den letzten fünf Jahren verschlechtert oder stark verschlechtert hat. In dieser Zeit wurden aber 323 Bankfilialen und damit rund jede neunte Filiale geschlossen.
Dies zeigt, dass Banken in der Schweiz trotz der zentralen strategischen Relevanz der physischen Präsenz bei der Optimierung ihres Filialnetzes weiter Spielräume haben. Andreas Dietrich weist jedoch darauf hin, dass Entscheidungen über Filialschliessungen stets im grösseren Kontext zu treffen sind. Neben der durchschnittlichen Anfahrtszeit sind insbesondere die Profitabilität der einzelnen Filiale, die standortbezogene Immobilienstrategie (Eigentum oder Miete), die lokale Wettbewerbssituation sowie bei Kantonalbanken politische Dynamiken zu berücksichtigen.
Finanzielle Situation der Retailbanken: Zinsmargen sinken nach Rekord im Vorjahr deutlich
Die HSLU untersuchte auch dieses Jahr die Bilanz- und Erfolgsrechnungen aller Schweizer Retailbanken. Basierend auf neun Kennzahlen zeigt die Studie, welche die aus finanzieller Sicht «beste» Retailbank ist (siehe Tabellen im Anhang). Nachdem die Zinsmargen im Vorjahr deutlich um 15 Basispunkte auf 1.31 Prozent angestiegen sind, sanken diese im Jahr 2024 aufgrund des tieferen Zinsniveaus wieder um 8 Basispunkte. Die Profitabilität der Retailbanken sank daher leicht. Die Banken wiesen aber im Durchschnitt immer noch das zweitbeste Resultat der vergangenen zehn Jahre aus.
Frauenanteil in Bank-Verwaltungsräten liegt bei 30 Prozent
Von den 506 VR-Mitgliedern von Retailbanken waren per Juni 2023 152 Frauen (Vorjahr 141). Dies entspricht einem Anteil von 30 Prozent. Im Jahr 2014 lag der Wert noch bei 16 Prozent. Der Ausbildungsgrad der Verwaltungsräte und Verwaltungsrätinnen ist hoch. Drei Viertel aller Mitglieder verfügen über ein abgeschlossenes Hochschulstudium (Bachelor oder Master). Fast ein Drittel dieser Personen mit Hochschulstudium hat zudem promoviert. Unter den in den letzten Jahren neu gewählten Verwaltungsrätinnen ist der Anteil von Personen mit Hochschulstudium mit 85 Prozent um elf Prozentpunkte höher als bei den Männern mit 74 Prozent.
IFZ Retail Banking-Studie 2025
Seit 2012 untersucht das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern jährlich den Zustand, die Entwicklung und die Erfolgsfaktoren der inländisch-orientierten Banken, die im Privatkundengeschäft tätig sind. Die diesjährige Ausgabe der Studie 2025 analysiert Kunden-Touchpoints von Banken und die Rolle der Filialen und geht vertieft auf das Thema Anlegen und Vorsorgen ein. Zudem zeigt die Studie die Finanzkennzahlen der Retailbanken und beinhaltet eine umfassende Corporate-Governance-Analyse.
Die 240-seitige «IFZ Retail Banking-Studie 2025» kann unter ifz@hslu.ch für 290 Franken bestellt werden. Weitere Informationen zur Studie: hslu.ch/retailbanking