Rund 2700 Selbsthilfegruppen gibt es in der Schweiz: Die Mitglieder tauschen Erfahrungen und Fachwissen aus und erarbeiten praktische Bewältigungsstrategien für den Alltag. Selbsthilfegruppen können psychosoziale Aspekte einer Erkrankung berücksichtigen, Zuversicht und Selbstwirksamkeit stärken und Themen enttabuisieren. Die Forschung zeigt deutlich, dass gemeinschaftliche Selbsthilfe die Gesundheitskompetenz stärkt, das psychische Wohlbefinden verbessert und soziale Teilhabe fördert. Wer jedoch im Rahmen einer medizinischen Behandlung Selbsthilfe als Ergänzung sucht, muss meist selbst aktiv werden.
Selbsthilfe mit Gesundheitssystem vernetzen
Mit dem Projekt «Gesundheitskompetenz dank selbsthilfefreundlicher Spitäler» (siehe Infobox) hat sich die Stiftung Selbsthilfe Schweiz zum Ziel gesetzt, Selbsthilfe besser mit dem Schweizer Gesundheitssystem zu vernetzen. Die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz hat das Projekt unterstützt und die Hochschule Luzern (HSLU) mit der wissenschaftlichen Begleitung beauftragt. Konkret sollen Selbsthilfegruppen stärker in den Gesundheitspfad der Patientinnen und Patienten einbezogen werden. Die Kooperation zwischen Gesundheitsinstitutionen, Selbsthilfegruppen und Selbsthilfezentren fördert zudem die Zusammenarbeit sowie den Austausch zwischen verschiedenen Fachbereichen. Damit wird Selbsthilfe als Ergänzung zur medizinischen Behandlung und als Nachsorge gestärkt.
Zusammenarbeit hat grosses Potenzial
Lukas Zemp, Geschäftsführer von Selbsthilfe Schweiz, koordiniert und vernetzt mit der Stiftung 22 regionale Selbsthilfezentren und weitere Organisationen mit Selbsthilfebezug sowie Verwaltung und Politik: «Trotz der wachsenden Anerkennung von Selbsthilfe als wichtiges komplementäres Angebot im professionellen Gesundheitssystem ist die Zusammenarbeit zwischen dem Gesundheitssystem und Selbsthilfegruppen in der Praxis noch stark ausbaufähig. Wir arbeiten daran, diese Zusammenarbeit zu fördern», sagt Zemp. Das Ziel ist, dass Patientinnen und Patienten beispielsweise bei der ärztlichen Behandlung im Spital auf die Möglichkeiten hingewiesen werden, sich als Ergänzung zum medizinischen Prozess einer Selbsthilfegruppe anzuschliessen.
Nutzen für alle Beteiligte
Prof. Dr. Suzanne Lischer forscht an der HSLU zu Gesundheitsförderung und Prävention. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie im Auftrag der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz die Umsetzung des Projekts evaluiert (siehe Infobox). Die Expertin für Gesundheitsförderung kennt die Vorteile einer mit dem Gesundheitssystem vernetzten Selbsthilfe: «Diese dient nicht nur Patientinnen und Patienten bei ihrer Genesung, sondern auch medizinischen Fachpersonen. Sie können durch den Austausch die Sichtweisen der Betroffenen besser verstehen. Die Selbsthilfegruppen wiederum gewinnen wertvolle Einblicke in klinische Abläufe. Damit werden sie fachlich kompetenter und können Falschinformationen vorbeugen», so Suzanne Lischer. Bisher haben rund 68 Spitäler aus der ganzen Schweiz das Label «selbsthilfefreundlich» erhalten. «Das zeigt, dass auch Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Fachpersonen aus der Gesundheitsversorgung an einer besseren Vernetzung interessiert sind», schlussfolgert Lischer.
Kosteneffekte schwer messbar
Inwiefern sich selbsthilfefreundliche Spitäler positiv auf Gesundheitskosten auswirken, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden. «Die Kooperation kann aber zu einer effizienteren Versorgung führen, indem sie die Genesung der Patientinnen und Patienten unterstützt und einen Zugang zu ihren Bedürfnissen ermöglicht», so Lischer. Die Forscherin betont, dass Selbsthilfe nie als Ersatz für medizinische Leistung gesehen werden darf, sondern als Ergänzung, die einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden von Patientinnen und Patienten haben kann.
Zum Projekt «Gesundheitskompetenz dank selbsthilfefreundlicher Spitäler»
Seit 2021 baut Selbsthilfe Schweiz in Zusammenarbeit mit Spitälern, regionalen Selbsthilfezentren und -gruppen regionale Kooperationen auf. Damit wird Selbsthilfe als Ergänzung zur medizinischen Behandlung gestärkt. In Selbsthilfegruppen erwerben Patientinnen und Patienten Wissen und erhalten Unterstützung bei der Bewältigung von Krankheiten oder psychischen Belastungen. Bis April 2025 haben 68 Spitäler in 20 Kantonen entsprechende Kooperationen aufgebaut, angestrebt werden mindestens 80. Die gewonnenen Erkenntnisse sowie die im Verlauf des Projekts aufgebauten Kooperationsstrukturen fliessen in das weiterentwickelte Modell «Selbsthilfefreundlichkeit im Spital / in der Gesundheitsinstitution» ein, das die bisherige Projektstruktur ablöst. Die Eidgenössische Qualitätskommission (EQK) unterstützt diese Transformationsphase finanziell. «Selbsthilfefreundlichkeit» ist zudem seit 2025 vom Spitalverband H+ im Kontext des nationalen Qualitätsvertrags nach KVG 58a als offizielle Qualitätsverbesserungsmassnahme anerkannt.