Ob der Berliner Mauerfall oder die Wiederöffnung von Grenzen nach dem Corona-Lockdown – wenn physische Grenzen überwunden oder aufgehoben werden, so ist das meist öffentlichkeitswirksam. Das Überwinden von inneren Barrieren hingegen geschieht meist im Verborgenen und kontinuierliche Annäherungen werden im Kleinen vollzogen. Dass dies auch in der Musik oftmals der Fall ist, zeigt die diesjährige Ausgabe des Festivals «Szenenwechsel» des Departements Musik der Hochschule Luzern (HSLU). Departementsdirektor Valentin Gloor sagt: «Tag für Tag, Schritt für Schritt werden Grenzen verschoben und musikalische Räume geweitet. Der einzelne Schritt mag unspektakulär erscheinen, aber doch hat die Welt eine bereichernde zusätzliche Facette erhalten. Oft führen solche Grenzgänge auch zu einer übergreifenden Zusammenarbeit, etwa zwischen Stilbereichen oder zwischen Wissenschaft und Kunst.»
Im Programm des «Szenenwechsels» macht sich dies etwa beim gemeinsamen Konzert des Luzerner Sinfonieorchesters und der Jungen Philharmonie Zentralschweiz im KKL Luzern bemerkbar: Dort treffen mit dem funkelnden Impressionismus des polnischen Komponisten Karol Szymanowski und der modernen sinfonischen Reflexion des türkischen Komponisten und Bürgerrechtsaktivisten Fazıl Say zwei verschiedene Zugangsweisen zur europäischen Sinfonietradition aufeinander.
Weitere Festival-Highlights sind u.a. der Auftritt des italienischen Musikers Simone Bottasso zusammen mit Volksmusik-, Jazz- und Klassikstudierenden im Konzertsaal «Salquin» oder das Big-Band-Konzert im KKL Luzern mit der US-Amerikanerin Genevieve Artadi, einer der aktuell prägendsten Jazz-Künstlerinnen der West Coast.
Eine besondere Art der Überwindung von äusseren und inneren Grenzen, zeigt sich auch beim Programmpunkt «Balkonszenen». Dabei tragen die Gesangsprofis von morgen Ständchen aus mehreren Epochen und Sprachräumen vor. «Verteilt in unserem Treppenhaus werben sie – fast wie einst Romeo um seine Julia – um die Aufmerksamkeit und Gunst des Publikums», so Gloor.
Des Weiteren steht das Festival «Szenenwechsel» auch im Zeichen der Zusammenarbeit der vier Institute und der Bereiche Lehre und Forschung am Departement Musik. So setzen sich Studierende und externe Musikerinnen und Musiker mit Themen wie «Zwangsmigration» oder «Zugehörigkeit» auseinander und zeigen das Resultat ihrer Arbeit in der Live-Soundcollage «Sounds beyond borders». Im Anschluss daran diskutieren Gäste aus dem In- und Ausland unter dem Titel «grenzenlos! grenzenlos? Neudenken musikalischer Teilhabe und Teilnahme».
DONNERSTAG, 27.1.2022: Polnischer Impressionist trifft auf türkischen Bürgerrechtsaktivisten
Eröffnet wird das Festival am Donnerstagabend, 27. Januar 2022 ab 19:30 Uhr mit einem Gemeinschaftskonzert des Luzerner Sinfonieorchesters und der Jungen Philharmonie Zentralschweiz im KKL Luzern. Auf dem Programm stehen die «Symphonie concertante» des polnischen Komponisten Karol Szymanowski (1882-1937) und die «Mesopotamia Symphony» des türkischen Komponisten Fazıl Say (*1970). Die Leitung hat Michael Sanderling. Ab 18:30 Uhr gibt es eine Konzerteinführung mit Departementsdirektor Valentin Gloor und Antonio Baldassarre, Leiter Forschung & Entwicklung.
FREITAG, 28.01.2022: Von Schubert bis Stockhausen, vom Drogentrip bis zur Balkonmusik
Das Abendprogramm startet mit einem Kammermusikkonzert: Dabei geht es um die Erkundung neuer Welten. Gespielt wird Franz Schuberts Streichquartett d-Moll – ein Werk, das eigentlich der Stilistik der Wiener Klassik verpflichtet ist, aber bereits im Jahr 1824 die ersten Strahlen von musikalisch Neuem erahnen liess. Das Konzert findet ab 18:00 Uhr im Konzertsaal «Salquin» statt (Konzerteinführung ab 17:30 Uhr) und wird durch die Albert Koechlin Stiftung AKS, Luzern unterstützt.
Ab 19:15 Uhr führt das Studio für zeitgenössische Musik mit «Professor Bad Trip» die musikalische Umsetzung eines Drogentrips auf. Bei diesem Schlüsselwerk des italienischen Komponisten Fausto Romitelli scheinen sich Zeit und Raum durch die Mittel des Klanges zunehmend aufzulösen. Ähnlich beim zweiten Werk dieses Konzerts: Auch bei Olivier Messiaens «Quator pour la fin de temps» geht es um die Auflösung der Zeit und um Unendlichkeit, die hier von der tiefen Religiosität des Komponisten inspiriert ist.
Zum Abschluss des Freitagabends gibt es ab 21:00 Uhr «Balkonszenen» zu erleben: Studierende aus den Klassen für Gesang, Gitarre, Harfe und Akkordeon interpretieren über Treppengeländer, Balkone, Zwischenstockwerke und Nischen hinweg Serenaden, Ständchen, Liebeslieder und Ensemblestücke von Brahms, Britten, Croce, de Falla, de Lorca, Dowland, Frauchiger, Ginastera, Granados, Haydn und Mozart.
In den Klangtürmen und im Raum 2021 wird am Freitag und Samstag zu unterschiedlichen Zeiten eine Performance mit zeitgenössischer Musik von Karlheinz Stockhausen (1928-2007) geboten. In seinem Zyklus «Aus den sieben Tagen» von 15 Textkompositionen für intuitive Musik, denen ein weiterer Zyklus unter dem Titel «Für kommende Zeiten» folgte, geht es um Grenzerfahrungen im musikalischen, spirituellen und letztlich existenziellen Sinn.
SAMSTAG, 29.01.2002: u.a. Schulklasse in Concert, Spannungsfeld Kirchenmusik und Live-Soundcollage
Musikpädagogik-Studierende der HSLU haben mit Schülerinnen und Schülern der Volks- und Musikschule Adligenswil ein abwechslungsreiches Programm erarbeitet – von Volksmusik über Hip-Hop bis zeitgenössische Musik. Konzertbeginn ist ab 11:00 Uhr in der Blackbox «Kosmos».
«Panel Posters Pizza» heisst eine Präsentation des Kompetenzzentrums Music Performance Research der HSLU, die um 12:15 Uhr beginnt. Geboten werden Einblicke in laufende Forschungsprojekte, welche die fast grenzenlose Breite und Vielfalt der Themen widerspiegeln, z.B. Orgelforschung, Musikkritik, Musik & Gesundheit und Groove-Ästhetik.
Eine «Stunde der Kirchenmusik» gibt ab 14:00 Uhr ein Konzentrat der künstlerischen Vielfalt dieses Genres wieder. Zu hören sind in verschiedenen Räumlichkeiten gregorianische Gesänge verbunden mit elektronischer Musik, fantasievoll gestaltete Kurzprogramme mit geistlicher und weltlicher Chorliteratur oder Solowerke und Kammermusik auf der Späth-Orgel der HSLU.
Eine musikalische Reflexion zu 200 Jahre Löwendenkmal in Luzern erleben die Besucherinnen und Besucher bei «9 Island Pieces». Für dieses Programm haben Kompositionsstudierende unter der Leitung von Dieter Ammann kurze Werke erarbeitet, die sich alle auf eine andere Art mit dem Themenkomplex Heimat und Fremde sowie dem Überschreiten von Grenzen beschäftigen. Beginn ist 15:30 Uhr in der Blackbox «Kosmos».
Die Wurzeln des italienischen Musikers, Komponisten und Dirigenten Simone Bottasso liegen in der Tradition. Dennoch streckt er seine Fühler immer wieder in unterschiedliche Richtungen aus. Mit Studierenden aus den Bereichen Volksmusik, Jazz und Klassik lässt er ab 17:00 Uhr im Konzertsaal «Salquin» verschiedene Stile beim Kreieren neuer Sounds ineinanderfliessen.
In der Live-Soundcollage «Sounds beyond borders» – ab 19:30 Uhr in der Blackbox «Kosmos» – setzen sich Studierende und externe Musikerinnen und Musiker mit den Themen «Zwangsmigration/Mobilität» sowie «Zugehörigkeit/Heimat/Exil» und den Grenzen ihrer eigenen musikalischen Erfahrungen auseinander. Direkt im Anschluss findet eine Podiumsdiskussion mit dem Titel «grenzenlos! grenzenlos? Neudenken musikalischer Teilhabe und Teilnahme» mit internationalen Gästen statt.
SONNTAG, 30.01.2022: Big Band groovt mit internationalen Gästen
Zum Abschluss des Festivals spielt die Big Band der HSLU im KKL Luzern zusammen mit der US-Amerikanerin Genevieve Artadi, einer der aktuell prägendsten Sängerinnen und Komponistinnen der Jazz-Szene an der West Coast. Geleitet wird die Big Band von Joakim Milder, einer Jazz-Ikone aus Schweden. Der junge US-amerikanische Schlagzeuger Louis Cole unterstützt das Ensemble mit seinem treibenden Sound. Konzertbeginn ist 18:00 Uhr, Konzerteinführung ab 17:00 Uhr.
Musikfestival Szenenwechsel «Grenzenlos»
Wann: 27. Januar bis 30. Januar 2022
Programm: hslu.ch/szenenwechsel
Hinweis: Mit Ausnahme des Sinfoniekonzerts und des Big-Band-Konzerts im KKL Luzern, finden alle Anlässe im Gebäude der Hochschule Luzern – Musik auf dem «Kampus Südpol» in Kriens statt. Der Eintritt ist jeweils frei – abgesehen von den beiden Konzerten im KKL Luzern. Für dieses gibt es Tickets unter: kkl-luzern.ch, T 041 226 77 77.
Zugang: 2G und Maskentragpflicht