«Umzugsmonitoring», ein Spin-off der Hochschule Luzern – Wirtschaft, analysiert die Umzugsgründe und Wohnpräferenzen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen mit dem Ziel, die Standortattraktivität von Gemeinden aus verschiedenen Perspektiven zu charakterisieren. «Standortattraktivität ist relativ und liegt im Auge des Betrachters bzw. des Umzügers. Detaillierte Informationen zum Verhalten der eigenen Zu-, Weg- und Umzüger zu erhalten, ist für Gemeinden hilfreich, um konkrete Massnahmen zur Steigerung ihrer Standortattraktivität planen zu können», sagt Studienleiterin Katia Delbiaggio. Für die Studie wurden die gesammelten Umzüger-Daten der Jahre 2010 bis 2013 analysiert. Von 2010 bis 2013 nahmen 136 Gemeinden an den Umzüger-Befragungen teil. Insgesamt reichten 12’315 umziehende Haushalte einen auswertbaren Fragebogen ein. Es handelt sich um eine Vollerhebung mit einer durchschnittlichen Rücklaufquote von 17 Prozent (2010–2011) bzw. 15 Prozent (2012–2013).
Veränderung von Arbeit oder Ausbildung ist relevant
Die neuste Studie differenziert das Umzugsverhalten nach Migrationstypen und definiert neun solcher Typen, je nach Herkunftsort und Zielort der Umzüger: Stadt–Stadt, Stadt–Agglomeration, Stadt–Land, Agglomeration–Stadt, Agglomeration–Agglomeration, Agglomeration–Land, Land–Stadt, Land–Agglomeration, Land–Land. In einem ersten Schritt wurde evaluiert, welche Umzugsgründe (Push-Faktoren) bei welchen Migrationstypen vorherrschen. Zweitens wurde untersucht, in welchem Ausmass sich die Migrationstypen hinsichtlich ihrer Wohnpräferenzen (Pull-Faktoren) unterscheiden. Schliesslich wurde die Veränderung der Zufriedenheit der Umzüger erhoben.
Die Studie zeigt, dass bei allen Migrationstypen die «Veränderung der Haushaltsform» (z.B. Familiengründung) eine wichtige und jeweils ähnlich relevante Rolle für einen Umzug spielt. Die «Veränderung von Arbeit oder Ausbildung» ist ebenfalls bei allen Migrationstypen relevant, am meisten bei jenen, die in stärker urbanisierte Räume ziehen oder innerhalb des städtischen Raums umziehen.
Besonders interessant ist der Vergleich der Umzugsgründe «Unzufriedenheit mit dem Wohnort» und «Unzufriedenheit mit dem Wohnobjekt». Hier zeigt sich, dass nur bei jenen, die vom Land in die Stadt ziehen, die Unzufriedenheit mit dem Wohnort höher ist als diejenige mit dem Wohnobjekt. Bei allen anderen Migrationstypen ist die Unzufriedenheit mit dem Wohnobjekt deutlich relevanter.
«Das bedeutet, dass Gemeinden und Städte mit gutem Ranking nicht per se als möglicher Wohnort in Frage kommen, insbesondere dann nicht, wenn sie auf die Umzugsgründe keine Antwort bieten können, z.B. mit besseren Wohnobjekten», sagt Katja Delbiaggio und weist auf die verschiedenen Städte- und Gemeinde-Rankings in der Schweiz hin, die jährlich veröffentlicht werden. Gängige Ratings gehen oftmals von einer absoluten Definition von Standortattraktivität aus: Allen Haushalten werden die gleichen Vorlieben wie zum Beispiel tiefe Steuern oder Zentrumsnähe zugeschrieben. «Aber Wohnorte wie Zug, Wollerau oder Kilchberg, die laut Gemeinderankings oft zu den attraktivsten Gemeinden der Schweiz gehören, bieten beispielsweise aufgrund der hohen Immobilienmarktpreise für viele Haushalte kaum Verbesserungen hinsichtlich des Wohnobjekts», erklärt Katia Delbiaggio.
Wohnpräferenzen führen zu unterschiedlichen Vorstellungen von Standort-Attraktivität
Neben den Umzugsgründen bestimmen auch die Wohnpräferenzen die Wahl eines neuen Standorts. Sie sind ortsbezogen sowie objektbezogen und unterscheiden sich von Haushalt zu Haushalt. Die Studie hat acht verschiedene Typen von Haushalten (sogenannte Wohnpräferenz-Segmente) empirisch modelliert, deren Vorlieben stark variieren. Zum Beispiel sind für die Gruppe der «Kompromisslosen» individuelle Vorteile (u.a. Steuerbelastung und objekt-bezogene Eigenschaften wie Aussicht, Stil, Grundriss) ebenso wichtig wie Gemeinschafts-vorteile (Bildungsangebot, Sicherheitsgefühl, Schulwege usw.) und Erschliessungsvorteile (z.B. Nähe zu Dienstleistungsangeboten, Nähe zu Arbeit und Ausbildung, Freizeit-, Sport- und Kulturangebot). «Individualisierte Nestbauer» hingegen gewichten vor allem die individuellen Vorteile, während «Aktivitätsorientierte» am ehesten die Erschliessungsvorteile im Blick haben
Die Studie zeigt, dass die Wohnpräferenzen unterschiedlich mit den Migrationstypen zusammenhängen. So sind individualistische Nestbauer in der Gruppe, die von der Stadt aufs Land zieht, dreimal so häufig anzutreffen wie in jener, die vom Land in die Stadt zieht. Aktivitätsorientierte zieht es in die Städte, während die Kompromisslosen bei allen Migrationstypen etwa gleich stark vertreten sind. Kurz: Unterschiedliche Wohnpräferenzen führen zu unterschiedlichen Vorstellungen von Wohnstandort-Attraktivität. «So kann eine Verlierergemeinde bei Rankings durchaus die erste Wahl für Haushalte mit bestimmten Präferenzen sein», sagt Katia Delbiaggio.
Zufriedenheitsveränderungen sind heterogen
Wie zufrieden die Umzüger hinsichtlich der verschiedenen Wohnstandort-Faktoren sind, hängt wiederum davon ab, von wo nach wo sie gezogen sind. Bei Migrationen ohne Veränderung des Urbanisierungsgrades sind Verbesserungen bei der Zufriedenheit primär objektbedingt. Mehr Urbanisierung führt zu mehr Zufriedenheit in den Bereichen ÖV-Erschliessung, Dienstleistungs-, Bildungs- und Freizeitangebot, während weniger Urbanisierung vor allem zur Erhöhung der Zufriedenheit hinsichtlich Ruf, Sicherheitsgefühl, Ausländeranteil und Umfeld führt. «Das zeigt wiederum, dass die Vor- oder Nachteile einer Gemeinde oder Stadt im Standortwettbewerb grundsätzlich relativer, nicht absoluter Natur sind», sagt Delbiaggio.
Vom Forschungsprojekt zum Spin-off
«Umzugsmonitoring» ist ein Spin-off des Instituts für Betriebs- und Regionalökonomie IBR der Hochschule Luzern – Wirtschaft und entstand aus dem Forschungsprojekt «Wohnpräferenzen» (2010–2011). Ziel des nicht-gewinnorientierten Vereins ist es, die Wohnpräferenzen der Schweizer Haushalte systematisch zu erforschen. «Umzugsmonitoring» bietet allen Gemeinden, Städten und Regionen der Deutschschweiz die Möglichkeit, an einer Umzüger-Befragung teilzunehmen und somit detaillierte Informationen zu den eigenen Zu-, Weg- und Umzüger zu erhalten: www.umzugsmonitoring.ch.
Die Studie «Umzüger-Befragung: Trends 2014 – Umzugsverhalten nach Migrationstypen» ist auf Anfrage erhältlich: kontakt@umzugsmonitoring.ch, T +41 41 228 41 98