Aufzeichnung: Isabel Baumberger
«Eigentlich hatte ich als Pflegefachfrau meinen Traumberuf gefunden und wollte ein Nachdiplomstudium in Anästhesiepflege anhängen, um später als Rettungssanitäterin arbeiten zu können. Doch dann brachten zwei unverschuldete, aber schwere Unfälle meine Karriere für eine Weile zum Stillstand – und danach war ich der körperlichen Belastung im Pflegeberuf definitiv nicht mehr gewachsen. Mein Herz hing nach wie vor an der Medizin, aber ich konnte mir auch eine beratende Tätigkeit vorstellen. Von daher war das Studium der Sozialarbeit ein guter Neuanfang für mich. Ich profitierte viel von den Inhalten des Bachelor-Studiengangs, lernte aber auch sympathische Leute kennen, nicht zuletzt auch eine meiner heutigen drei besten Freundinnen. Die ersten Jahre im neuen Beruf war ich in verschiedenen Berufsfeldern der Sozialarbeit tätig – unter anderem mit Drogensuchtbetroffenen und in der wirtschaftlichen Sozialhilfe. Ein MAS in Prävention und Gesundheitsförderung an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit ergänzte mein Studium und seit Mai 2015 bin ich als Beraterin für Krebsbetroffene und deren Angehörige genau da, wo meine beiden bisherigen Bereiche zusammenkommen: Medizin einerseits, soziale Beratung andererseits. Die Beratungsstelle Schwyz/Uri der Krebsliga Zentralschweiz ist im Spital Schwyz stationiert. Dessen Atmosphäre gefällt mir – genau wie die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Onkologie, der Palliativabteilung und der Spitalsozialarbeit. Mein Alltag ist sehr vielfältig. Die Menschen, die zu mir kommen, sind in einer schwierigen Situation und haben grosse Sorgen. Aber das Gute ist: Sie kommen freiwillig und bestimmen selbst, was ich für sie tun soll. Manchmal möchte jemand bloss wissen, wo man eine gute Brustprothese bekommt, und ich vermittle den Kontakt zur entsprechenden Stelle. Oft begleite ich jemanden aber über längere Zeit, vom Zeitpunkt der Diagnose bis zum Moment, wo die letzten Dinge geregelt werden müssen. Oder bis es wieder aufwärtsgeht. Es ist mir ein grosses Anliegen, jeden Menschen, der zu mir kommt, in seiner ganz individuellen Situation wahrzunehmen – mit all den Gefühlen und Gedanken, die ihn gerade beschäftigen. Ich sehe mich als partnerschaftliche Beraterin und Managerin, die der betroffenen Person dabei hilft, aus ihrer Situation das Bestmögliche zu machen. Dabei stehen oft ganz praktische Fragen im Vordergrund: Wo und wie müssen Anträge auf Sozialversicherungsleistungen gestellt werden? Braucht die betroffene Person zu Hause Pflegedienstleistungen? Welche Vorkehrungen sind zu treffen, wenn keine Heilung zu erwarten ist? Manchmal geht es um die ganze Familie. Zum Beispiel die der Bergbäuerin mit drei Kindern, die plötzlich durch einen Hirntumor aus ihrem Alltag gerissen wurde. In einem solchen Fall gehe ich auf Hausbesuch, um im Gespräch mit allen Beteiligten herauszufinden, wie man die Fülle von Problemen ordnen und Lösungen organisieren kann – von der Kinderbetreuung über die Abklärung des Finanzbedarfs bis zur Bestellung von Hilfsmitteln wie etwa einem Pflegebett.
‹Weine nicht, dass die leuchtenden Tage vorüber sind, lächle, dass sie da waren›, steht auf einer Trauerkarte, die ich in meinem Büro aufgestellt habe. Die wunderschöne Schneelandschaft darauf zeigt die Aussicht vom Zuhause eines ehemaligen Klienten. Es war sein grosser Wunsch, zu Hause sterben zu dürfen, und ich konnte seine Familie dabei unterstützen, alles dafür Notwendige zu organisieren. So gibt es trotz der traurigen Umstände schöne Momente, in denen ich es als Privileg empfinde, Menschen durch diese schwierige Zeit ihres Lebens begleiten zu dürfen. Manchmal lachen wir auch zusammen über irgendeinen absurdkomischen Aspekt der eigentlich meist tragischen Situation. Humor und eine grundsätzlich positive Lebenseinstellung sind unabdingbar in diesem Beruf, der einiges an psychischer Kraft erfordert, aber auch sehr viel gibt. Er rückt so manches in ein neues Licht und macht mir immer wieder bewusst, wie dankbar ich für mein eigenes, sehr erfülltes Leben bin
Neben meinem 70-Prozent-Pensum bei der Krebsliga singe ich in einem semiprofessionellen Chor für Filmmusik. Die Proben und Konzerte mit dem bekannten 21st Century Orchestra machen grossen Spass und entführen mich in eine ganz andere Welt. Auch Sport bietet mir einen guten Ausgleich. Ich bin begeisterte Rennradfahrerin und trainiere gerade zusammen mit meinem Mann in einer Gruppe für mein erstes Velorennen rund um den Genfersee.»
Dieser Artikel ist in der Publikation «Soziale Arbeit», Ausgabe Juni 2016, erschienen.
Prävention und Gesundheitsförderung
werden zu einem immer wichtigeren Handlungsfeld im Gesundheits- und Sozialhilfesystem. Im MAS Prävention und Gesundheitsförderung lernen die Studierenden, Gesundheitsförderung, Prävention und Früherkennung nicht auf einmalige Aktionen zu beschränken, sondern auf nachhaltige Veränderungen bei Individuen und Organisationen auszurichten.