Wirtschaftskriminalität stellt für Schweizer Unternehmen eine erhebliche und wachsende Herausforderung dar. Während klassische Delikte wie Betrug, Veruntreuung und Korruption weiterhin präsent sind, hat sich Cyberkriminalität zum grössten Wachstumsmarkt entwickelt – mit höheren Zuwachsraten als Betrug und Geldwäscherei zusammen. Dies zeigt eine aktuelle Studie der Hochschule Luzern.
Besonders alarmierend: Mehr als 80 Prozent der befragten Expertinnen und Experten gehen von sehr grossen Wachstumsraten der Wirtschaftskriminalität in den nächsten zwölf Monaten aus. «Wirtschaftsdelikte verursachen nicht nur erhebliche finanzielle Verluste, sondern untergraben auch das Vertrauen von Investoren, Kunden und der Öffentlichkeit in die Integrität der betroffenen Unternehmen», sagt Susanne Grau, Studienautorin und Leiterin Wirtschaftskriminalistik des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern.
Erwarteter Anstieg von Wirtschaftsdelikten (zum Vergrössern auf die Grafik klicken)
Künstliche Intelligenz: Fluch und Segen zugleich
Die Erwartung, dass Künstliche Intelligenz (KI) eine wertvolle Unterstützung zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität darstellt, wird durch die Studienergebnisse nur teilweise bestätigt. Das Bild ist differenziert und zeigt KI als zweischneidiges Schwert: Einerseits erkennen viele Unternehmen die Gefahren, die mit der verstärkten Nutzung von KI einhergehen – so ist es mittels KI bedeutend einfacher, Personenprofile und Herkunftsorte zu erfinden oder aber nie erfasste Zahlungsbelege zu generieren. Rund 67 Prozent der Befragten erachten das Risiko einer Betroffenheit von KI-Betrugsversuchen als hoch. Nur etwa 28 Prozent betrachten diese Risiken als tief. «Diese Diskrepanz zeigt, dass in einigen Unternehmen die Sensibilisierung für die potenziellen Bedrohungen durch technologische Fortschritte noch erhebliches Verbesserungspotenzial besteht», analysiert Susanne Grau.
Andererseits wird auch das Potenzial von KI zur Risikominderung anerkannt: Rund 45 Prozent der Teilnehmenden sehen in der verstärkten Nutzung von KI eher oder klar eine Chance, wirtschaftskriminelle Risiken zu minimieren und Vorfälle schneller aufzudecken. Besonders aufschlussreich ist die Tatsache, dass mehr als 40 Prozent der Befragten angaben, in ihrem Unternehmen bereits von KI-induzierten Betrugsversuchen betroffen gewesen zu sein.
Risiko der eigenen Betroffenheit von KI-generierten Betrugsversuchen (zum Vergrössern auf die Grafik klicken)
Zu grosser Besorgnis Anlass gibt ausserdem die mangelhafte Vorbereitung vieler Unternehmen: Nur etwa die Hälfte geht einer systematischen Erfassung von Risiken in Bezug auf Wirtschaftskriminalität nach. «Bei jedem zweiten Unternehmen fehlt es an Wissen über bestehende und auch neue Risiken», sagt Susanne Grau.
Zur Studie
Die Studie «Entwicklung der Wirtschaftskriminalität in der Schweiz» stützt sich auf die Teilnahme von 64 Unternehmen und beinhaltet Datensätze von erfahrenen Spezialistinnen und Spezialisten aus der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität und wurde in Zusammenarbeit mit der Association of Certified Fraud Examiners (ACFE) Switzerland Chapter erstellt. Bei 350 Zugriffen auf die Umfrage entspricht dies einer Ausschöpfungsrate von 18 Prozent. Die Mehrheit der Teilnehmenden (89 Prozent) beantwortete die Umfrage auf Deutsch, gefolgt von Französisch (8 Prozent) und Englisch (3 Prozent).