Wohnungsknappheit, Überalterung, Verkehrsplanung: Gemeinden und Städte stehen vor vielfältigen Herausforderungen. Die Hochschule Luzern hat mit dem «Cockpit öffentliche Planung» eine Anwendung entwickelt, die schweizweite Daten des Bundesamtes für Statistik zu Bevölkerung, Haushalten, Gebäuden, Wohnformen und Wohnmobilität interaktiv auf digitalen Karten darstellt. Das «Cockpit» visualisiert diese Daten auf verschiedenen räumlichen Ebenen – von der gesamtkantonalen Übersicht über einzelne Quartiere bis hin zur detaillierten Darstellung in 100-Meter-Raster. Das Tool zeigt, wie sich etwa die Altersstruktur entwickelt, welche Wohnungstypen vorherrschen oder wie die Anbindung an den öffentlichen Verkehr ist.
«Wir sehen beispielsweise, wo viele ältere Menschen in zu grossen Wohnungen leben oder wo Familien mehr Wohnraum benötigen», erklärt Ivo Willimann, Projektleiter des Cockpits an der Hochschule Luzern. Ebenso sichtbar wird, wie weit entfernt die nächste Einkaufsmöglichkeit für die Bewohnerinnen und Bewohner liegt. Die Anwendungsmöglichkeiten sind äusserst vielfältig, da sich die verschiedenen Daten sowohl räumlich als auch zeitlich kombinieren lassen.
Wenn der Platz fehlt – was Wohnverhältnisse über Entwicklungschancen verraten: Mit dem «Cockpit öffentliche Planung» lässt sich unter anderem die Knappheit von Wohnverhältnissen hochaufgelöst darstellen. Die Analyse in der oberen Karte zeigt am Beispiel der Stadt Bern die durchschnittliche Wohnfläche pro Person in Haushalten mit mindestens vier Personen. Je dunkler ein Quadrat (mit 100 Metern Kantenlänge), desto weniger Platz steht den Haushaltsmitgliedern zur Verfügung. Dieser Indikator liefert Hinweise auf knappe finanzielle Verhältnisse und auf eine potenziell belastende Wohnsituation für Kinder. Auf dieser Grundlage können die Behörden Entwicklungsangebote gezielt dort einsetzen, wo der Bedarf am grössten ist (zum Vergrössern klicken)
Gemeinde Sarnen setzt bereits aufs Cockpit
Im Einwohnerregister sowie im Gebäude- und Wohnungsregister erfassen Gemeinden kontinuierlich Daten. Manuel Christen, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Smart Region Lab der Hochschule Luzern, sagt: «Das Cockpit veredelt diese Daten und macht sie für konkrete Planungsfragen nutzbar.» Die räumliche Darstellung unterstützt eine faktenbasierte Zusammenarbeit über Fach- und Zuständigkeitsgrenzen hinweg. Politik und Verwaltung erhalten so eine klare Entscheidungsgrundlage für ihre Sozial-, Gemeinde- und Infrastrukturplanung. «Wenn alle auf dieselben Karten schauen, entstehen konstruktivere Diskussionen über die Zukunft der Gemeinde.»
Mehrere Gemeinden setzen das Tool bereits erfolgreich ein. So etwa der Obwaldner Hauptort Sarnen mit rund 11’000 Einwohnerinnen und Einwohnern: Gemeinden wie Sarnen hilft das Cockpit öffentliche Planung, räumliche und gesellschaftliche Entwicklungen in der Wohn- und Siedlungsplanung besser zu verstehen und strategisch darauf zu reagieren. «Besonders im Kontext des demografischen Wandels und der veränderten Wohn- und Mobilitätsbedürfnisse liefert das Tool wertvolle Analysen zu Bevölkerungsstruktur, Haushaltsentwicklung und Wohnraumauslastung», sagt Simon Unternährer, Projektleiter Raumentwicklung, Mobilität und Umwelt bei der Gemeinde Sarnen. Das Cockpit schaffe eine faktenbasierte und anschauliche Grundlage für den Dialog mit Eigentümerschaften, Fachpersonen und politischen Entscheidungsträgern.
Personen ab 80 Jahren und deren Zugang zum Detailhandel – eine Erreichbarkeitsanalyse: Detailhandelsgeschäfte decken den Siedlungsraum der Stadt Zürich gut ab. Es gibt aber Gebiete mit einer Häufung von Personen im Alter von 80 Jahren oder älter (blau eingefärbte Quadrate), in welchen es gemäss vorliegenden Daten kein Detailhandelsgeschäft innerhalb von 400 Meter gibt. Unter den gelb eingefärbten Flächen ist eine Detailhandelsgeschäft innerhalb von 100 Meter erreichbar, bei den grün eingefärbten Flächen innerhalb von 400 Meter. (zum Vergrössern klicken)
Komplexe Daten nutzbar machen
Das Cockpit öffentliche Planung ist aus der Forschungs- und Beratungsarbeit der Hochschule Luzern im Bereich Regionalökonomie hervorgegangen und im Rahmen des Smart Region Labs entstanden. Dieses verfolgt das Ziel, massgeschneiderte, interaktive Visualisierungslösungen zu entwickeln, die komplexe Daten verständlich und nutzbar aufbereiten. «Interaktive Datenvisualisierungen sind das beste Kommunikationsmedium zwischen Mensch und Maschine», sagt Prof. Dr. Halldór Janetzko, Leiter des Smart Region Lab. Sie machten Zusammenhänge sichtbar und förderten so datenbasierte Entscheidungen.
Zugang mit Jahreslizenz
Das «Cockpit öffentliche Planung» ist ein Projekt des Smart Region Labs der Hochschule Luzern und unterstützt Städte, Gemeinden und Regionen dabei, ihre sozial- und raumplanerischen Fragestellungen fundiert und zukunftsorientiert zu bearbeiten.
Mit einer Lizenz erhalten Gemeinden einen Online-Zugang zum Cockpit öffentliche Planung. Der Preis für eine Jahreslizenz hängt von der Bevölkerungszahl ab. Für eine Gemeinde mit 5'000 Personen kostet sie momentan beispielsweise 2'250 Franken, mit 30'000 Personen 3'500 Franken. Die Hochschule Luzern unterstützt bei der Einrichtung. Auf der Website zum Cockpit kann unverbindlich eine Offerte angefordert werden.
Wie das Cockpit funktioniert, sehen Sie in diesen drei Videos: