Bankschalter, Büros oder Bancomaten – die direkten Treibhausgasemissionen von Finanzinstituten halten sich in Grenzen. Einen weitaus grösseren Einfluss auf das Klima haben hingegen indirekte Emissionen ihrer Kunden – die sogenannten finanzierten Emissionen. Forschende der Hochschule Luzern (HSLU) haben die Emissionen von Kreditnehmenden auf das Finanzierungsvolumen umgerechnet. Die Hochrechnung des «Sustainable Lending Monitor» zeigt, dass Schweizer Banken über die Kreditvergabe im Inland indirekt zwischen 8,9 und 10,3 Millionen Scope 1 und Scope 2-Treibhausgase (siehe Box) ihrer Kunden, und somit die eigenen Scope-3-Emissionen beeinflussen können. «Die Zahlen verdeutlichen, dass die Kreditvergabe ein wichtiger Hebel für Finanzinstitute ist, ihre ökologischen Ziele zu erreichen», erklärt Studienleiterin und Co-Autorin Nadine Berchtold. «In Zukunft werden die Zahlen von Jahr zu Jahr genauer werden, da mehr Daten zur Verfügung stehen.», so die Co-Autorin weiter.
Hypotheken und Firmenkredite untersucht
Als Basis der Schätzung dienen einerseits die von ersten Schweizer Retailbanken im Rahmen des PCAF-Standards (Partnership for Carbon Accounting Financials) publizierten Zahlen. Diese Retailbanken decken etwa ein Viertel des Gesamtkreditvolumens der Schweiz ab. Andererseits haben die Forschenden die von der SNB veröffentlichten Kreditstatistik für die Berechnung herbeigezogen. Insgesamt wurden die Emissionen für das Gesamtkreditvolumen von 1,3 Milliarden Franken geschätzt, wobei Kredite nach den drei Kategorien Gewerbe- und Wohnimmobilien-Hypotheken sowie Firmenkredite aufgeschlüsselt wurden. Untersucht haben die Forschenden die sogenannten Scope 1 und Scope 2-Emissionen der finanzierten Immobilien und Unternehmen (siehe Box).
Emissionsintensive Firmenkredite
Wohnimmobilien machen mit 37 % den grössten Anteil der finanzierten Kredit-Emissionen aus. Firmenkundenkredite sind jedoch deutlich CO₂-intensiver (vgl. Abbildung). Während die Firmenkundenkredite lediglich sechs Prozent des Kreditvolumens ausmachen, verantworten sie mehr als einen Viertel der berechneten finanzierten Treibhausgasemissionen. Studienleiterin Nadine Berchtold führt aus: «Aufgrund des tiefen Anteils von Firmenkundenkredite wurden diese bisher wohl oft unterschätzt. Die meisten Banken bieten nämlich nur Finanzierungsprodukte zur Nachhaltigkeitsförderung von Hypotheken, nicht aber von Unternehmen an.»
Künftig noch mehr Daten zur Verfügung
Momentan zeigen die sechs untersuchten Banken jedoch noch eine niedrige Datenqualität bei ihrer Treibhausgasbilanzierung. «Die Berechnung von Emissionen bei Firmenkrediten ist anspruchsvoll, da der Verwendungszweck der Mittel oft nicht eindeutig ist und sich über die Kreditlaufzeit ändern kann», sagt die Co-Autorin. Zudem sind Daten zu Umsatz, Eigenkapital und Schulden der finanzierten Unternehmen oft lückenhaft, etwa wegen verspäteter Bilanzeinreichungen oder unvollständiger Abschlussdaten. Nadine Berchtold erwartet jedoch Verbesserungen: «Regulatorische Entwicklungen und freiwillige Initiativen werden dafür sorgen, dass die Hochrechnung immer näher an die tatsächlichen Emissionen heranrückt.» Für die Finanzdienstleisterin SIX, welche die Studie in Auftrag gegeben hat, bietet die Auswertung wichtige Erkenntnisse für die Branche. Martina Macpherson, Head of ESG Product Strategy and Management bei SIX erklärt: «Die Durchführung der Studie war für SIX von entscheidender Bedeutung, um Marktdynamiken und -trends im nachhaltigen Finanzmarkt zu identifizieren und besser einzuschätzen.»
Nächster Schritt: Absenkpfad definieren und umsetzen
Die Berechnung der finanzierten Emissionen stellt für eine Bank jedoch nur ein erster Schritt dar. Im Anschluss müssen Banken gemäss des PCAF-Standards planen und darlegen, wie sie diese Emissionen aktiv reduzieren wollen, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. «Banken, welche lediglich die aktuellen Vorschriften aus den Selbstregulierungen der Schweizer Bankiervereinigung umsetzen, ohne weitere Massnahmen einzuleiten, werden das Netto-Null-Ziel kaum erreichen können», sagt die Studienleiterin Nadine Berchtold. Um die Emissionen langfristig senken zu können, müssen deshalb neben Emissionsreduzierungen bei Wohnimmobilien auch Reduzierungen bei Gewerbeimmobilien und Firmenkundenkrediten stattfinden.
Scope 1, 2 und 3-Emissionen
Das Greenhouse Gas (GHG) Protocol definiert drei Ebenen (Scopes) zur Messung von Treibhausgasemissionen: Scope 1 umfasst direkte Emissionen aus unternehmenseigenen Prozessen, Scope 2 betrifft indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie, und Scope 3 umfasst alle weiteren indirekten Emissionen entlang der Wertschöpfungskette. Für Banken ist besonders Scope 3 relevant, da darin die Emissionen aus dem Kreditportfolio – also die finanzierten Emissionen – abgedeckt sind. Finanzierte Emissionen sind Treibhausgasemissionen, die durch die wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen und Projekten entstehen, die von Finanzinstituten wie Banken durch Kredite, Investitionen und andere Engagements unterstützt werden.