Nach vierzehnjährigem Ringen hat sich das nationale Parlament auf die Eckwerte des Projekts «EFAS» (einheitliche Finanzierung von ambulant und stationär) geeinigt. Ab 2028 sollen alle Leistungen des Gesundheitswesens einheitlich finanziert werden, um Fehlanreize im System zu beseitigen. Auf Wunsch der Kantone wurde entschieden, die Pflege ab dem Jahr 2032 ebenfalls in EFAS zu integrieren. Konkret bedeutet dies: Egal ob die Behandlung oder Pflege im Spital, in einer Praxis, im Pflegeheim oder zuhause durch die Spitex stattfindet, die Kostenteilung zwischen Krankenversicherungen und öffentlicher Hand wird künftig immer gleich funktionieren.
Damit die Reform gelingen und mit den Zielen der Pflegeinitiative abgestimmt werden kann, braucht es eine gemeinsame Datengrundlage für alle Leistungserbringenden. Während diese für medizinische Leistungen vorhanden ist, besteht für die Leistungen der Spitex bis anhin keine übergreifende, transparente Kosten- und Datenbasis. Ein von Innosuisse gefördertes Forschungsprojekt hat das Ziel, dies zu ändern. Die Hochschule Luzern (HSLU) hat mit den Wirtschaftspartnern Heyde und Polynomics eine Kostenrechnungs-Lösung und eine Benchmarking-Plattform entwickelt, welche schweizweit einheitliche, hochauflösende Kostenrechnungen sowie aussagekräftige Kosten-/Leistungsvergleiche innerhalb der Spitex ermöglichen. Sie sind abgestimmt auf das Finanzmanual von Spitex Schweiz.
Vergleichbarkeit trotz unterschiedlicher Ausgangslagen
Das Projekt ist 2020 in enger Zusammenarbeit mit elf Spitex-Organisationen sowie Spitex Schweiz gestartet. «Für die politische Arbeit auf nationaler Ebene brauchen wir standardisierte, verlässliche und vergleichbare Kostenrechnungen», sagt Cornelis Kooijman, Co-Geschäftsführer bei Spitex Schweiz, «und mit der Einführung von EFAS wird die einheitliche Kostenrechnung und ein entsprechendes Benchmarking für die Spitex gar zur Pflicht.»
Herausfordernd sind die heterogenen Ausgangslagen der Spitex-Organisationen – etwa bezogen auf ihre Grösse, ihr Angebot und ihren Versorgungsauftrag, ihre Trägerschaft oder regulatorische Anforderungen. «Dem wollten wir bewusst Rechnung tragen», betont Matthias Wächter, Co-Projektleiter der Hochschule Luzern. Die entwickelten Anwendungen sind in dieser Hinsicht ein Novum: Im Gegensatz zu anderen Systemen verarbeiten sie Rohdaten aus den Primärsystemen statt aggregierter Daten, weshalb sie Kosten für Spitex-Leistungen erstmals bis ins Detail aufschlüsseln können. Wenn sie sich als Standard durchsetzen, lässt sich über die ganze Schweiz hinweg aufzeigen, erklären und vergleichen, wie die Kosten- und Ertragsstrukturen bei welcher Spitex-Organisation genau zusammengesetzt sind.
Beitrag für ein qualitativ hochstehendes Gesundheitswesen
«Das Projekt legt einen Grundstein dafür, dass sich die Tarifsysteme im Schweizer Gesundheitswesen weiterentwickeln können, sich die personellen Ziele der Pflegeinitiative umsetzen lassen und die Spitex ihre Rolle in einer integrierten Versorgung übernehmen kann», ist Matthias Wächter überzeugt. Aktuell nutzen bereits rund 130 Spitex-Organisationen die im Projekt entwickelte Kostenrechnungs-Lösung und 50 Organisationen den Benchmark. Für Daniel Boller, CFO der Spitex Zürich, steht fest: «Die qualitativ hochstehende Datenaufbereitung und das neue Kostenrechnungsmodell markieren einen Quantensprung. Für Spitex-Organisationen ist diese Entwicklung elementar, da die heutige Restfinanzierung und neue Finanzierungsmodelle massgeblich von belastbaren Zahlen abhängen. Die Organisationen sehen zudem, wie sie im Quervergleich bezüglich Kosten und Leistungen stehen und können entsprechende Optimierungsmassnahmen ergreifen.»
Details zum Projekt
Das Forschungsprojekt «Kennzahlensysteme und Kostenmanagement der Spitex» dauerte von 2020 bis 2023 und wurde von Innosuisse, der Schweizer Agentur für Innovationsförderung, mit rund 410'000 Franken unterstützt. Unter der Leitung der Hochschule Luzern wurden, basierend auf einem neuen Kostenrechnungsmodell, zwei Anwendungen für ein ausgereiftes betriebsübergreifendes Kennzahlensystem und eine hochauflösende Kostenrechnung entwickelt. Dies geschah in enger Kooperation mit den Wirtschaftspartnern Heyde und Polynomics sowie einer repräsentativen Auswahl von Spitex-Organisationen und mit Spitex Schweiz.
Die Kostenrechnungs-Lösung: Die Kostenrechnungs-Lösung von Heyde (Schweiz) AG zieht Rohdaten aus verschiedenen Primärsystemen, wie der Spitex-Software sowie Finanz- und Lohnbuchhaltungssystemen, zusammen. Ein Expertenteam aus Finanz- und Spitex-Spezialistinnen und -Spezialisten analysiert, korrigiert und harmonisiert die individuellen Rohdaten und verarbeitet sie national einheitlich und automatisiert weiter. Damit entfallen bis zu 80 % des Aufwandes bei der Spitex-Organisation im Vergleich zu herkömmlichen Ansätzen. Die Anwendung erstellt eine standardisierte Kostenrechnung mit detailliertem Überblick und interaktiven Auswertungen zu Themen wie Finanzen, Personal und Produktivität. Mehr erfahren
Die «Spitex Benchmarking Plattform»: Die Spitex-Benchmarking-Plattform schafft die Datengrundlagen für eine bedarfsgerechte Versorgung, unterstützt die betriebliche Führung mit intuitiven Kennzahlen und stärkt auf Basis einer besseren Kostentransparenz die Verhandlungsposition gegenüber den Sozialversicherungen und Restfinanzierungspartnern. Das Benchmarking erfolgt auf Basis harmonisierter Daten und ermöglicht Vergleiche im Gesamtmarkt oder in Untergruppen. Vertiefende Analysen nutzen statistische Verfahren um den Einfluss von Struktur-, Betriebs- und Leistungsstrukturkennzahlen auf die Kosten zu bestimmen. Mehr erfahren