Nachhaltige Publikumsfonds sind weiterhin auf Wachstumskurs. Im vergangenen Jahr hat sich das Angebot in der Schweiz um 15 Prozent auf 2’155 Fonds erhöht – das sind bereits fünf Mal mehr als noch vor fünf Jahren. Trotz diesem Wachstum sind die «Nachhaltigen» aber weiterhin ein Nischenmarkt und machen erst 22 Prozent aller Publikumsfonds auf dem Schweizer Markt aus (Abbildung 1). Dass die ökosozialen Investments allerdings hoch in der Gunst der Anleger stehen, zeigen die jüngsten Kapitalflüsse: Anleger investierten im vergangenen Jahr mehr als 90 Prozent aller neu allozierten Gelder in entsprechende Gefässe. Doch nicht alle Nachhaltigkeitsdimensionen werden in den Fonds gleich stark berücksichtigt. Das zeigt die jüngste Ausgabe der Sustainable Investments Studie der Hochschule Luzern (HSLU).
Abbildung 1: Die Anzahl nachhaltiger Publikumsfonds im Vergleich zu konventionellen Publikumsfonds in der Schweiz
Per Mitte 2023 stehen Schweizer Anlegern 2'155 nachhaltige Publikumsfonds zur Verfügung. Das entspricht 22 Prozent des Gesamtangebots. Dagegen positionieren sich 78 Prozent der Fonds als konventionelle Anlage. (Zum Vergrössern klicken)
Überprüfung von sozialen Nachhaltigkeitskriterien schwierig
94 Prozent der nachhaltigen Fonds erfüllen die Mindeststandards des Branchenverbandes Schweizer Asset Manager AMAS. Die 2'155 nachhaltigen Fonds in der Schweiz fokussieren sich aber mehrheitlich auf ökologische Themen wie Klimarisiken. Soziale Kriterien werden in der Breite noch selten berücksichtigt. Lediglich die Überprüfung von Unternehmen auf die Einhaltung sozialer Mindeststandards wie Menschen- und Arbeitsrechte hat sich etabliert: Nachhaltige Fonds prüfen die Einhaltung von etablierten Normen der Vereinten Nationen oder der OECD-Länder bei ihren Anlagen deutlich häufiger als konventionelle Fonds (Abbildung 2).
Abbildung 2: Der Anteil nachhaltiger Publikumsfonds im Vergleich zum Anteil konventioneller Publikumsfonds, welche die Einhaltung sozialer Normenkataloge bei Portfolio-Unternehmen berücksichtigen
Nachhaltige Publikumsfonds prüfen die Einhaltung international anerkannter sozialer Normen bei ihren Portfolio-Unternehmen deutlich öfters als konventionelle Publikumsfonds. Hier dargestellt am Beispiel der Prinzipien des UN Global Compact (UNGC) und der OECD-Leitsätze. (Zum Vergrössern klicken)
«Unternehmen auf Verstösse gegen soziale Normen zu prüfen ist allerdings höchst anspruchsvoll und die Beurteilung subjektiv», sagt Co-Studienautor und Professor Manfred Stüttgen. Selbst dafür spezialisierte Ratingagenturen sind in der Beurteilung nicht immer einig. Solche Abweichungen sind allerdings nicht überraschend, sie lassen sich mit Methodenunterschieden erklären. Bei der deutlichen Mehrheit der nachhaltigen Fonds kommen etablierte Rating-Agenturen zu dem Schluss, nicht in Unternehmen investiert zu sein, die gegen international soziale Normen verstossen (Abbildung 3). Bei zwölf Prozent der Fonds stellen dagegen diese Agenturen einmütig Normenverstösse fest. Co-Studienautor Brian Mattmann kommentiert: «Es ist wichtig, die Modelle der Rating-Agenturen zu verstehen, um Verstösse von Unternehmen gegen internationale Standards richtig einzuordnen.» Investoren würden solche Verstösse mit unterschiedlichen Ansätzen adressieren. Ausschlüsse sind gemäss Mattmann nicht immer der Königsweg. Ein aktives Aktionärsengagement könne effektiver sein, um zweifelhafte Praktiken bei Firmen zu reduzieren. «In der aktuellen Debatte können solche Verstösse aber leicht zu unberechtigten Greenwashing-Vorwürfen führen», so der HSLU-Dozent.
Abbildung 3: Prüfung nachhaltiger Fonds auf Portfolio-Holdings mit Verstössen gegen den Globalen Pakt der Vereinten Nationen oder die OECD-Leitsätze (in Anzahl Fonds)
Bei der deutlichen Mehrheit der nachhaltigen Fonds kommen etablierte Rating-Agenturen zu dem Schluss, nicht in Unternehmen investiert zu sein, die gegen international soziale Normen verstossen. Bei zwölf Prozent der nachhaltigen Fonds sind sich diese Agenturen aber einig, dass man sich gegenüber Firmen exponiert, die gegen soziale Normen verstossen. (Zum Vergrössern klicken)
Soziale Themen als Anlagechance?
Ein Nischensegment von rund 50 Fonds selektiert seine Investments nach sozialen Themenschwerpunkten. Diese Fonds sehen soziale Themen wie Bevölkerungsalterung, Bildung, sozialer Fortschritt oder Diversität als Anlagechancen. Oft orientieren sich solche Themenfonds an den 17 Zielen der Vereinten Nationen zur Erreichung einer nachhaltigeren Weltwirtschaft. Soziale Themen sind allerdings schwierig als Wachstumsthema zu erschliessen, da man hier nicht einfach in eine Technologie oder ein Produkt investieren kann, so wie bei Klima- und Umweltfonds.
Banken müssen künftig über nachhaltige Anlagen sprechen
So oder so dürfte der Trend zu mehr nachhaltigen Investments ab 2024 eine neue Dynamik entfalten: Banken werden künftig die Nachhaltigkeitsvorlieben ihrer privaten Kundschaft zwingend erheben und passende Anlagelösungen anbieten müssen. So verlangt es die neue Selbstregulierung der Schweizerischen Bankiervereinigung. Aktuell setzen die Banken diese Vorgabe um und schulen die Nachhaltigkeitskompetenzen ihrer Mitarbeitenden. Stüttgen ist sich sicher: «Mit dieser wesentlichen Neuerung im Schweizerischen Bankensystem wird das Angebot an nachhaltigen Fonds nochmals zunehmen.»
IFZ Sustainable Investments Studie 2023
Die jährlich erscheinende Sustainable Investments Studie des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug der Hochschule Luzern untersucht nachhaltige Investmentfonds mit öffentlicher Vertriebszulassung in der Schweiz. Der Fokus liegt dieses Jahr speziell auf nachhaltigen Fonds und sozialer Verantwortung.
Die 300-seitige «IFZ Sustainable Investments Studie 2023. Nachhaltige Fonds und soziale Verantwortung» kann unter ifz@hslu.ch für 190 Franken als Booklet bestellt werden.