Architektinnen und Bauherren befinden sich im Clinch: Einerseits müssen ihre Bauwerke möglichst kostengünstig und standardisiert sein. Anderseits soll ihre Arbeit einen persönlichen Touch aufweisen. Nicht nur die Gebäudeform soll einzigartig sein, sondern auch Material und Optik. Dies gilt umso mehr für Backstein-Fassaden, wo das Baumaterial besonders im Vordergrund steht. Ein gemeinsames Forschungsprojekt der Keller Unternehmungen und der Hochschule Luzern gibt der Baubranche nun die Instrumente in die Hand, Backstein-Fassaden diesen zusätzlichen Touch zu verleihen – und so für mehr Abwechslung in der Baulandschaft zu sorgen.
Im Zentrum des Projekts stand die Entwicklung modularer Werkzeugaufsätze für die Gestaltung der Backsteinoberfläche. Bis anhin war es nicht möglich, die Oberfläche der serienmässig hergestellten Backsteine zusätzlich im industriellen Massstab zu verändern. «Die Backsteinproduktion ist auf die Herstellung grosser Mengen uniformer Backsteine ausgerichtet», sagt Susanne Mühlhaus, Bereichsleiterin Engineering bei Keller Unternehmungen. «Um die Gestaltung der einzelnen Steine zu verändern, braucht es einen völlig neuen Ansatz.»
Ästhetik der Perfektion hinterfragen
Dank des neu entwickelten Systems können Architekten und Bauherrinnen die Oberfläche der Backsteine erstmals überhaupt bereits vor der Produktion gestalten. Die Designs werden dann während der Herstellung umgesetzt. Die Sichtfläche des Steins lasse sich dank des neuen Verfahrens individuell und doch serienmässig verändern, erläutert Materialforscherin und Projektmitarbeiterin Cornelia Gassler von der Hochschule Luzern.
Am neu entwickelten Werkzeugsystem gefällt Cornelia Gassler vor allem der «Low Tech»-Aspekt: «Die Herstellung von Backsteinen ist eine Jahrtausende alte Technik. Unser Ansatz mit seinen technisch einfach gehaltenen Aufsätzen spiegelt das wider, ist aber dank der modernen digitalen Steuerung gleichzeitig sehr präzise kontrollierbar.»
Gasslers Team hinterfragte während des Projekts die gängigen ästhetischen Normen der industriellen Produktion, welche Homogenität anstreben. Historische Backsteine weisen Unregelmässigkeiten in Textur und Farbe auf. Das verleihe einem Gebäude Charakter und mache es einzigartig, so die Forscherin. «Unser Ziel war, diese in der modernen Backsteinherstellung weitgehend verschwundenen Abweichungen wieder zu beleben und zu ergänzen. Die natürliche Imperfektion des Steins kann nun gemeinsam mit unserem Ansatz gezielt zur Gestaltung eingesetzt werden.»
Marktreife erlangt
Das gemeinsame Forschungsprojekt der Hochschule Luzern und der Keller Unternehmungen wurde 2022 abgeschlossen. Laut Susanne Mühlhaus sind die daraus entstandenen Designs unter dem Label «kelesto Signa» ab sofort bei der Keller Systeme AG erhältlich.
Von der Master-Arbeit zum Innosuisse-Projekt
Ausganspunkt für das gemeinsame Forschungsprojekt von Keller Unternehmungen und HSLU war die Abschlussarbeit von Cornelia Gassler im Master Design. Sie lotete darin neue Produktionsverfahren für keramische Fassadenelemente aus. Gasslers Arbeit wurde 2018 mit dem Förderpreis Master of Arts in Design ausgezeichnet. Aus ihr entwickelte sich 2019 in Kooperation mit Keller Unternehmungen das Innosuisse-Forschungsprojekt «ExxE». Die Innovationsagentur des Bundes förderte das Projekt mit rund 230’000 Franken. Seitens der HSLU war ein interdisziplinäres Forschungsteam aus Produktdesignerinnen, Maschinenbauern und Architektinnen daran beteiligt.