In ihren Ferien möchte Familie Koch aus Deutschland das Matterhorn sehen. Der Vater bucht von zu Hause aus ein Zimmer in Zermatt. Mit dem Bestätigungsmail erhält die Familie den Hinweis, sie könnte Tweebie auf ihr Smartphone laden, damit sie weiss, was in Zermatt während ihres Aufenthalts läuft. Als die Familie dem Tipp folgt, fragt die Gratis-App sie, aus welchem Land sie kommt, ob sie Zermatt schon kennt und wo sie übernachtet. Da die Kochs noch nie in Zermatt waren, weist Tweebie darauf hin, dass der Ort autofrei ist und sie die letzten fünf Kilometer per Bahn-Shuttle zurücklegen müssen.
Tweebie ist eine Marketing- und Kommunikationsplattform, die sowohl auf dem Smartphone als auch auf Touchscreens in Hotels oder Touristeninformationen nutzbar ist. Sie deckt bislang die Destinationen Zermatt, Grindelwald, Ascona/ Locarno und einen Teil des Engadins, etwa Pontresina und St. Moritz, ab.
Die App ist eine Entwicklung der Digital-Marketing Firma ipeak Infosystems aus Zug/Zermatt und der Hochschule Luzern. An dem von Innosuisse mitfinanzierten Projekt waren Wirtschaftswissenschaftler und Informatikerinnen beteiligt. In einem ersten Schritt führte das Wirtschaftsteam Workshops mit Anbietern durch und befragte potenzielle Gäste. So fand das Team heraus, wie sich die Bedürfnisse Alleinreisender von jenen von Familien unterscheiden, welche Altersgruppe welche Informationen braucht und wie die Herkunft die Vorlieben und Abneigungen beeinflusst.
Alle Anbieter in einer App
Als die Kochs in Zermatt ankommen, schlägt Tweebie ihnen familienfreundliche Restaurants vor, die ihrem Budget entsprechen könnten, und macht sie an einem Regentag auf den Indoor-Spielplatz aufmerksam. «Tweebie verwirklicht die Vision einer bedürfnisgerechten, mobilen und digitalen Begleitung der Gäste», erklärt Co-Projektleiter Andreas Liebrich vom Departement Wirtschaft. «Der Nutzer muss nicht mehr jeden Webauftritt einzeln ansteuern, sondern findet alles in einer Applikation. Datenschutzkonform, versteht sich.»
Tweebie integriert Daten von Anbietern wie der SBB, der Hotellerie Swiss, der Touren- und Karten-App Outdoor-Active, von Wetter-Apps und dem Digital-Anzeigen-Vermarkter Guidle. Derzeit wird die Plattform mit künstlicher Intelligenz ausgestattet. Dafür hat René Meier, Leiter des Forschungsteams Mobile and Smart Systems Research, Gästegruppierungen vorgenommen, denen die App unterschiedliche Informationen zukommen lässt.
«Tweebie arbeitet mit Methoden des Machine Learning», sagt Meier. «Je mehr Gäste das System nutzen und je mehr Daten es erhält, umso schneller und zielgenauer kann es selbstständig immer akkuratere Gruppen mit immer feineren Einstellungen erstellen. So wird sichergestellt, dass ein Gast nur wenige, genau auf ihn zugeschnittene Informationen pro Tag erhält.»
Dabei muss das System einkalkulieren, dass Gäste einer Gruppe in eine andere wechseln können. «Wer in einem günstigen Hotel wohnt, kann sich trotzdem für ein teures Restaurant interessieren», so René Meier. «Die Zusammenarbeit hat uns bei diesem grossen, komplexen Produkt sehr geholfen und einen echten Mehrwert geschaffen», sagt ipeak-Geschäftsführer Raoul Julen. Die App wurde bereits über 80’000 Mal heruntergeladen. Mit dem nächsten Update im Herbst 2018 wird auch Familie Koch von Tweebie noch persönlichere Empfehlungen erhalten.
Autorin: Valeria Heintges
Foto: Ipeak Infosystems
Tourist Info 3.0
Die Digitalisierung verändert auch die Touristeninformationen. Andreas Liebrich, Dozent für E-Tourism, hat untersucht, wo für sie die Reise hingeht.
Im Internet können sich Feriengäste über ihre Destination informieren. Warum braucht es noch Touristeninformationen?
Viele Touristen möchten sich gerne vor Ort informieren. Sie nutzen die Büros, wenn sie Tickets für Attraktionen kaufen wollen oder für Tipps, die sie nicht im Internet finden. Und oft bieten Touristeninformationen zusätzliche Leistungen an, etwa Spezialrabatte.
Manche Büros wurden aber schon geschlossen. Wer übernimmt dann diese Aufgaben?
Teils werden sie durch Touchscreens ersetzt, die auch Zugang auf Plattformen wie Tweebie bieten. Aber ein Computer kann nicht alle Aufgaben übernehmen. Oft verlagern sich diese daher zu anderen Betrieben, etwa Hotels oder Bergbahnen. Auch die Gäste werden einbezogen.
Wie das?
Es gibt schon jetzt sehr modern ausgestattete Touristenbüros, die ihre Gäste dazu ermuntern, noch während ihres Aufenthalts den Ferienort zu bewerten oder Tipps zu posten. Hier übernehmen die Gäste einen Teil des Marketings
Für das Projekt «Tourist Info 3.0» hat Ihr Team neben den Gästen auch die Leistungsträger befragt. Was kam dabei heraus?
Der Hauptnutzen des Projekts ist, dass sich die 15 beteiligten Destinationen auf Ebene der Leitungspersonen vernetzen. Der persönliche Austausch ermöglicht, dass künftig nicht jede Touristeninformation alles neu erfinden muss. Noch mehr lohnt sich das Zusammenspannen bei komplexen und kostenintensiveren Projekten. Diesem Thema widmen wir uns im Nachfolgeprojekt «Destination Data Space für Tourismusbetriebe».
Interview: Valeria Heintges