Pro Woche sitzen sie in rund 40 Meetings, erledigen über 100 verschiedene Aufgaben, für die Hälfte davon stehen weniger als 9 Minuten zur Verfügung. 78 Prozent der Arbeitszeit verbringen sie mit verbalen Kontakten, Pausen gibt es nicht. So zeichnete der kanadische Ökonom Henry Mintzberg 1973 in «The Nature of Managerial Work» das Bild der Arbeit von CEOs aufgrund einer empirischen Untersuchung. Sein Fazit: Manager sind keine systematischen Planer, sie müssen vielmehr auf konkrete Situationen reagieren und handeln dabei oft intuitiv.
40 Jahre später wollte das Institut für Betriebs- und Regionalökonomie IBR der Hochschule Luzern wissen, ob Mintzbergs Beschreibung immer noch zutrifft. Es beauftragte vier MBA-Studierende, erneut eine qualitative Studie durchzuführen. Sie haben die Arbeitsstruktur von sechs CEOs mittelgrosser Unternehmen unter die Lupe genommen und die Resultate mit jenen Mintzbergs verglichen.
Höhere Arbeitsbelastung
Dabei hat sich gezeigt, dass vieles nach wie vor Gültigkeit hat und sich einiges sogar verschärft hat. Die Arbeitslast und die Wochenarbeitszeit sind noch höher, Tempo und Anzahl der Tätigkeiten sind gestiegen, die verbalen und schriftlichen Kontakte pro Woche haben sich hauptsächlich aufgrund der E-Mail-Kommunikation fast verdoppelt auf 400, wobei die Hälfte Mitarbeitende betrifft. Jedoch verläuft der Arbeitstag mehrheitlich entlang der im Voraus gesetzten Termine. CEOs sind also weniger am Reagieren als noch vor 40 Jahren und verfolgen eine bessere Planung.
Zusätzlich haben die MBA-Studierenden das Verhältnis von operativen und strategischen Tätigkeiten untersucht und sind zum Ergebnis gekommen, dass sich die CEOs zwischen 40 und 90 Prozent um operative Aufgaben kümmern – wenngleich sie selbst betonen, dass ihre Hauptaufgabe die strategische Führung des Unternehmens sei.
Ralph Müller bestätigt: «Während meiner sechs Jahre als CEO bei der Schurter AG war ich sozusagen der Chefkümmerer, betreute wichtige Projekte und Kunden.» Seit Müller jedoch CEO der Schurter-Gruppe ist, die mit rund 1’500 Mitarbeitenden viermal so gross ist wie die Schurter AG, hat sich das komplett verändert: «Ich bin nicht mehr ins Tagesgeschäft involviert und viel stärker strategisch tätig.»
Schwerpunkt Kommunikation
Was beide Untersuchungen betonen, spiegelt auch Ralph Müllers Erfahrung wider: Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Kommunikation. Und die wichtigste Rolle ist jene der Repräsentations-, Kontakt- und Führungsperson. Jörg Lienert, über 30 Jahre CEO seines gleichnamigen Unternehmens im Bereich Personalvermittlung, ist sogar überzeugt davon, dass CEOs heute noch stärker als Botschafter gefragt sind. «Mit den neuen Medien hat sich nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Notwendigkeit ergeben, individueller zu kommunizieren.» Es gelte zudem, die Verbundenheit der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen zu fördern, indem man diese selbst vorlebe.
Dass betriebswirtschaftliche Ausbildungen Aspekte der Führung künftig stärker fokussieren, empfehlen denn auch die Autoren und Autorinnen der IBR-Studie.
Autorin: Susanne Gmür