Allgemeine Fragen zur Forschungsgruppe Produkt & Textil
Fragen zur nachhaltigen Textilforschung
Fragen zur Kreislaufwirtschaft
Fragen zu Textilabfällen und Recycling
Welchen Herausforderungen stellt sich die Forschungsgruppe Produkt & Textil und was sind die Forschungsschwerpunkte?
Antwort: Die globale Textilbranche und die textil- und designorientierte Forschungsgemeinschaft haben das Potential, gemeinsam einen enormen Beitrag zu den Sustainable Development Goals SDG der Agenda 2030 zu leisten (UN, 2016). Vordringliche Handlungsfelder sind u.a. die Reduktion des Ressourcenverbrauchs und der CO2-Emissionen, längere Lebenszyklen für textile Produkte, transparente und zirkuläre Lieferketten. In unserer Forschungsarbeit setzen wir unsere Aktivitäten unter das Leadthema «Design & Nachhaltigkeit». Unser Forschungsteam agiert agil und transdisziplinär entlang von drei Perspektiven, Zirkularität & Systeme, Rückgewinnungsprozesse & Sekundärrohstoffe und Akteur:innen-Beteiligung & kulturelle Transformation.
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Auf welche Art Forschungsprojekte ist die Forschungsgruppe Produkt & Textil spezialisiert?
Antwort: Die Projekte sind angewandt, designgetrieben und beabsichtigen einen messbaren Impact in den Bereichen Zirkularität und Nachhaltigkeit. Folglich stehen transdisziplinäre Projekte mit praxisnahen Industriepartnern im Zentrum, um eine realistische Implementierung zu ermöglichen. Weiter erstellen wir Studien für öffentliche Institutionen und NGOs und sind stark vernetzt in der Schweizerischen und Europäischen Textil- und Designszene. Wir legen grossen Wert darauf, dass alle relevanten Stakeholder inklusive Enduser:innen in den Projekten integriert sind.
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Seit wann gibt es die Forschungsgruppe Produkt & Textil und wie viele Projekte wurden bisher abgeschlossen?
Antwort: Die Forschungsgruppe Produkt & Textil besteht nun seit mehr als 15 Jahren und hat in dieser Zeit über 60 Projekte erfolgreich abgeschlossen. Normalerweise laufen 10-15 meist konsortiale Projekte, in denen der Aufbau von zirkulären Ökosystemen in der Schweiz angestrebt wird.
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Was bedeutet transdisziplinäre, angewandte und explorative Forschung?
Antwort: Die Forschungsgruppe selbst ist interdisziplinär zusammengesetzt mit Kompetenzen im Textil-, Produkt- und Materialdesign, historischer Forschung und Umweltnaturwissenschaften. In den Projekten verfolgen wir einen transdisziplinären Ansatz und integrieren möglichst alle relevanten Akteur:innen – von der Industrie über die Forschung bis hin zu den Enduser:innen. Aus dieser Projektveranlagung ergeben sich natürlicherweise Forschungsthemen die angewandt und teils explorativ sind. Mit wissenschaftlichen Methoden kann somit ein Reality-Check zwischen Theorie und Praxis als Innovationsschritt erreicht werden.
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Welche Innovationen und Wissensgewinne werden in der Forschungsgruppe erarbeitet?
Antwort: Zu den neuen Erkenntnissen aus den Projekten veröffentlichen wir laufend wissenschaftliche Publikationen. Konkret zum Beispiel das Designmodell (Adler, 2021), das theoriebasiert Designkriterien entlang dem Produktlebenszyklus aufzeigt und als Unterstützung in der nachhaltigen Produktentwicklung nützlich ist. Nebst den Publikationen entstehen oft Prototypen und Muster als weitere Projektresultate. Sie dienen als Machbarkeitsüberprüfung und Vermittlungsinstrument für die Öffentlichkeit. Resultate für Firmen sind zum Beispiel neue Designguidelines, Machbarkeitsstudien zu Closed-Loop Recycling und die Identifikation von Handlungsfeldern für eine zirkuläre Produktion.
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Wie werden Projektthemen erarbeitet und welche Kriterien müssen für ein erfolgreiches Forschungsprojekt erfüllt sein?
Antwort: Die Projektthemen ergeben sich aus der Schnittmenge zwischen den Forschungsbedürfnissen unserer Wirtschaftspartner und unserer Forschungsgruppe. Wir orientieren uns an unseren drei Perspektiven «Zirkularität & Systeme», «Rückgewinnungsprozesse & Sekundärrohstoffe» und «Akteur:innen-Beteiligung & kulturelle Transformation» und sind dem Lead-Thema Design & Nachhaltigkeit verpflichtet. Durch die Forschungsprojekte ergeben sich kontinuierliche Vertiefungen der Themenfelder Zirkularität und Recycling im Textil und in angrenzenden Branchen. Für den Finanzierungszuspruch und die erfolgreiche Umsetzung braucht es im Projekt einen gleichermassen ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Mehrwert für die Schweiz.
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Welche Kriterien gelten für eine Projekteingabe bei der Innosuisse?
Antwort: Bei Innosuisse Projekten können (Schweizer) Industriepartner:innen, private oder öffentliche Einrichtung gemeinsam mit einer Forschungsinstitution finanzielle Unterstützung für Innovationsprojekte beantragen. Das innovative Projekt wird gefördert, wenn es wirtschaftlichen Erfolg oder gesellschaftlichen Mehrwert verspricht. Dabei stellt das Unternehmen Eigenleistung zur Verfügung, die durch Forschungsleistungen im gleichen Ausmass ergänzt werden. Je nach Situation gibt es gewissen Handlungsspielraum. Weitere Informationen dazu gibt es unter: Innosuisse.ch
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Wie lange dauern eure Forschungsprojekte in der Regel?
Antwort: Die Forschungsprojekte brauchen eine gewisse Vorlaufzeit für die Konzipierung und die Erstellung der Förderanträge. Die effektive Umsetzung einer Machbarkeitsstudie dauert in der Regel 6 Monate und Innovationsprojekt-Projekte 18-24 Monate. Der Übergang vom Forschungsprojekt in die Implementierung ist meistens fliessend und startet oft bereits während des Projekts.
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Warum müssen wir in der Schweiz im Bereich nachhaltiger Materialien, Textilien und Fashion forschen?
Antwort: Die Bekleidungs- und Textilindustrie ist ressourcenintensiv sowie abfallverursachend und für 3-10% der weltweiten CO2e-Emissionen verantwortlich (McKinsey & Company, 2020). Wenn die Branche weiterhin Dekarbonisierungsinitiativen im derzeitigen Tempo umsetzt, werden die Emissionen im Jahr 2030 genauso hoch sein wie heute – fast doppelt so hoch wie das Maximum, das erforderlich ist, um bis 2050 auf dem 1,5-Grad-Pfad des Pariser UN-Abkommens zu bleiben (Hedrich et al., 2022). Zudem stellen die neuen Regulierungen im Zusammenhang mit dem EU Green Deal eine grosse Herausforderung für die Schweizer Exportindustrie dar.
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Was funktioniert in der Schweizer Textilbranche in Bezug auf die Nachhaltigkeit gut und was fehlt noch?
Antwort: Viele Schweizer Textilfirmen sind Traditionsunternehmen, die bereits seit Generationen auf nachhaltiges Geschäften fokussiert sind. Als Lieferanten in einer globalen Wertschöpfungskette sind sie einem grossen Finanz- und Konkurrenzdruck ausgesetzt. Mit den neuen Regulationen im EU-Raum können sich die Schweizer Exportfirmen neu positionieren und transformieren. Dies fordert Agilität und Innovationskraft, was wir in unseren gemeinsamen Forschungsprojekten positiv erleben.
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Ist die Schweiz in der Forschung über nachhaltige Textilien im Rückstand? Wie ist der Vergleich mit anderen europäischen Ländern?
Antwort: Die Schweizer Forschung im Bereich nachhaltige Textilien ist auf wenige Hochschulen konzentriert. Die Forschungsgruppe Produkt & Textil deckt die Textilforschung aus gestalterischer und materialtechnischer Sicht ab. Sie hat einen Fokus auf zirkuläre Wertschöpfungsketten, Sekundärrohstoffe aus Recycling, neue Naturfasern als Ersatzmaterialien und kaskadische Nutzung von Textilen über die R-Strategies.
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Welche Rollen spielen die neuen EU Regulationen für die Schweizer Industrie?
Antwort: Mit dem EU Green Deal gibt es starke Regulierungen für mehr Nachhaltigkeit im Textilsektor. Die Textilindustrie mit ihrem hohen Exportanteil ist diesbezüglich besonders gefordert. So verlangt zum Beispiel die «Ecodesign for Sustainable Products Regulation», dass Produkte so gestaltet sind, dass sie im Kreislauf geführt werden können. Dazu kommen weitere Themen rund um Sorgfaltspflicht in der eigenen Wertschöpfungskette, Abfalleindämmung und Corporate Social Responsibility (Carriere-Pradal et al., 2021). Wie und ob die Regulationen auch in der Schweiz eingeführt werden, ist aktuell noch unklar.
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Was bedeutet Kreislaufwirtschaft und welche Rolle spielt es für die Schweiz?
Antwort: Die Kreislaufwirtschaft spielt eine immer grössere Rolle in der Schweiz. Viele Recycling-Kreisläufe funktionieren bereits sehr gut. Im Textilbereich besteht im Umgang mit Altkleidern noch Potential, insbesondere was die Rückhollogistik anbelangt: Technologien für hochwertiges closed-loop Recycling, Bereitstellung von definierten Sekundärrohstoffen (aus Recycling) und die kaskadische Nutzung von Textilien, bevor diese rezykliert werden müssen (Reuse, Remanufacture, Repurpose, Repair).
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Wo liegen die Herausforderungen für eine Implementierung einer Kreislaufwirtschaft in der Textilbranche?
Antwort: Grundsätzlich ist die Textilbranche auf eine lineare Wirtschaft ausgelegt und nicht auf eine kreislauffähige Wirtschaft. Dieser Paradigmenwandel hin zu einer Kreislaufwirtschaft bedingt in vielen Bereichen disruptive Veränderungen. Ziel ist es: Abfälle und Verschmutzungen zu vermeiden, Produkte und Materialien im Gebrauch zu halten und natürliche Systemen zu regenerieren (EMAF, 2017).
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Welche Massnahmen braucht es, damit nachhaltigere Alternativen weiterentwickelt und gefördert werden?
Antwort: Für die Entwicklung und Umsetzung von einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft braucht es Initiativen von verschiedensten Akteur:innen aus den Bereichen Politik, Zivilgesellschaft und Industrie (Bundesrat, 2022).
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Was für Anforderungen muss ein Produkt oder Textil aufweisen, damit es länger genutzt werden kann und für Reuse, Remanufacture in Frage kommt?
Antwort: Wichtig ist, dass die Produkte schon im Design auf eine geeignete Lebensdauer ausgelegt sind. Das gilt insbesondere in Bezug auf den Style, die Verarbeitung und das Material. Kurzlebige Produkte sollten möglichst einfach rezyklierbar sein, d.h. möglichst einfach als Monomaterial einem funktionierenden Recyclingprozess zugeführt werden können. Langlebige Produkte sollten über verschiedene (Design-)Interventionen mehrere Nutzungszyklen durchlaufen können, bevor sie im Recycling landen (Adler, 2021).
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Welche Rolle spielen natürliche Materialien (z.B. Bananenfasern) und chemische Materialien (z.B. Polyesterfasern) in einer Kreislaufwirtschaft?
Antwort: Der Ressoucenverbrauch in der Bekleidungsbranche ist enorm hoch. 98% der verbrauchten Materialien werden der Natur entnommen. Die Baumwollproduktion ist sehr ressourcenintensiv und kann aufgrund der Anbauflächen nicht massgeblich erhöht werden. Es braucht also Alternativen zur Baumwolle und zum Polyester, aus diesem Grund spielt der Ersatz dieser beiden meistverwendeten Materialen durch ökologischere Alternativen (nebst der Reduktion des Materialverbrauchs durch mehr Zirkularität) und die Erforschung dieser, eine sehr wichtige Rolle.
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Was hat das Forschungsprojekt Texcircle mit der Kreislaufwirtschaft zu tun?
Antwort: Im Projekt Texcircle ging es grundsätzlich um die Förderung der Kreislaufwirtschaft in der Schweizer Textilbranche. Weitere Infos zum Projekt gibt es hier: hslu.ch/texcircle
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Mit welchen Abfallmengen ist die Schweizer Wirtschaft konfrontiert und wie hoch ist die Recyclingquote?
Antwort: Über 136'000 Tonnen textile Kleidungstücke landen pro Jahr im Schweizer Detailhandel. Heisst, pro Person und Jahr werden hierzulande durchschnittlich 16 kg Kleider gekauft und 11 kg Kleider entsorgt (Wiprächtiger et al., 2022). Davon landen fast zwei Drittel in der Kehrichtverbrennung. Obschon Kleider in der Herstellung enorm ressourcenintensiv sind (BAFU, 2019) und die Schweiz im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viele Kleider konsumiert (Wiprächtiger et al., 2022), gibt es bislang kaum Lösungen für die Wiederverwendung oder -verwertung von Altkleidern (Ellen MacArthur Foundation, 2017). Dazu kommt, dass weltweit nur rund 1% der Textilien hochwertig recycelt werden; der Grossteil wird einfach entsorgt (Ellen MacArthur Foundation, 2017).
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Welche verschiedenen Recycling-Methoden gibt es im Textilsektor? In welche Richtungen wird geforscht?
Antwort: Auf Faserebene sind es allem voran mechanisches und chemisches Recycling (Rengel, 2017). Geforscht wird in beide Richtungen. Beim mechanischen Recycling geht es vor allem um Automatisierungen und beim chemischen Recycling um eine wirtschaftlich tragbare Skalierung. Zurzeit sind die Herausforderungen die zu kleinen Mengen an gleichbleibenden Alttextil-Qualitäten, die nötig wären, um die entsprechenden Technologien auszureifen und kostendeckend zu betreiben. Auch ist die Nachfrage nach Sekundärrohstoffen aufgrund der noch sehr günstig verfügbaren virgin Rohstoffen zu gering.
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Was sind Anforderungen an Textilien, Kleider und Produkte, damit sie recyclingfähig sind?
Antwort: Designschaffende haben einen enormen Einfluss auf die produktbezogenen Umwelteinflüsse (EU Science Hub, 2018). Darum gilt es, bereits in der Design- und Entwicklungsphase alle Optionen durchzudenken, damit ein Produkt möglichst ressourcenschonend ist, ganz im Sinne des Design Decision Tools für nachhaltiges Design (Adler, 2021). Grundsätzlich gilt es immer zu beachten, dass Recycling die letzte Option vor der thermischen Verwertung sein soll. Wenn immer möglich gilt es, andere Strategien wie z.B. das Reparieren oder Wiederaufbereiten zu bevorzugen (BAFU, 2016).
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Warum sind Textilien und Produkte aus hohen Materialmischungen derart problematisch für das Recycling?
Antwort: Der Grund dafür ist, dass es sehr unterschiedliche textile Materialqualitäten gibt, die sich im mechanischen und chemischen Recycling unterschiedlich verhalten. Ein Beispiel dafür sind weiterverbreitete Polyester- und Baumwollmischungen: Polyester ist eine erdölbasierte Chemiefaser und Baumwolle eine zellulosische Naturfaser. Um hochwertige Sekundärrohstoffe zu erhalten, müssten die Fasern in unterschiedlichen Prozessen recycelt werden. Das ist aber nicht möglich, weil sich die Fasern nicht einfach separieren lassen. Mit Ecodesign lassen sich diese Probleme bereits in der Produktentwicklung angehen.
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