Overview
2022 wurde die Schweiz vom Ausschuss der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) u. a. aufgefordert, alle Gesetze und damit zusammenhängenden Massnahmen und Praktiken aufzuheben, die bezwecken oder bewirken, dass die Anerkennung von Menschen mit Behinderungen als Personen vor dem Gesetz verweigert oder geschmälert werden. Im Auftrag des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) wurde ein Gutachten zur Evaluation des Erwachsenenschutzrechts und dessen Vereinbarkeit mit dem schweizerischen und internationalen Recht von Menschen mit Behinderungen erstellt. Im Kern sollte auf der Basis der Empfehlungen des UN-BRK-Ausschusses in Ziff. 26 die Notwendigkeit einer Revision im Erwachsenenschutzrecht eruiert werden. Die folgenden beiden Fragen standen dabei im Mittelpunkt: (1) Kann oder muss die umfassende Beistandschaft gemäss Art. 398 ZGB unter Berücksichtigung der Lehre und Praxis aufgehoben werden (Arbeitspaket I), (2) inwiefern ist ein Wechsel von einem System der vertretender Entscheidungsfindung (sog. substituted decision making) zu einem System der unterstützten Entscheidungsfindung (sog. supported decision making) möglich (Arbeitspaket II)? Die rechtliche Auseinandersetzung wurde dabei in beiden Arbeitspaketen mit sozialwissenschaftlichen Untersuchungen der aktuellen Praxis ergänzt.