Ob in der Hotelküche, an der Rezeption oder im Service – die Tourismusbranche bietet vielseitige Arbeitsplätze mit unterschiedlichen Anforderungsprofilen. Im Rahmen des Projekts «Arbeitsfeld Tourismus integrativ» hat die Hochschule Luzern das Potenzial der Branche für Menschen mit einer Beeinträchtigung untersucht. Aus den Resultaten schliesst Barbara Rosenberg-Taufer vom Departement Wirtschaft: «Es gibt in fast allen Tourismussparten Integrationsmöglichkeiten für Menschen mit Beeinträchtigung.» Sie leitet gemeinsam mit Widukind Zenker vom Departement Soziale Arbeit das Forschungsprojekt.
Motivierte Mitarbeitende
Integrative Arbeitsplätze bringen Betrieben viele Vorteile. Gerade für die Tourismusbranche, die in einigen Bereichen von Arbeitskräftemangel betroffen ist oder nur saisonal Angestellte findet, erschliesst sich dadurch eine neue Personalressource. «Hier lassen sich motivierte, loyale und vor allem langjährige Mitarbeitende rekrutieren», so Rosenberg-Taufer. Sie werden von ihren Arbeitskolleginnen und -kollegen oft als Bereicherung geschätzt und die sozialen Kompetenzen im Unternehmen verbessern sich aufgrund der Diversität. Darüber hinaus kann sich das soziale Engagement für die Betriebe positiv auf die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit auswirken.
Rosenberg-Taufer ist überzeugt: «Eine Arbeit auszuführen und dafür Lohn und Wertschätzung zu erhalten, führt bei Menschen mit einer Beeinträchtigung oft zu einem Gleichwertigkeitsgefühl und damit verbunden zu einer höheren Lebensqualität.» Die Tätigkeiten bringen sie in Kontakt mit Gästen, Vorgesetzten und Arbeitskolleginnen und -kollegen und fördern ihre Integration. «In vielen Betrieben sind die Mitarbeitenden in den Teams bereits so eingebunden, dass ihre Beeinträchtigung in den Hintergrund tritt», ergänzt Widukind Zenker.
Investition lohnt sich
Für die Studie, die vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen EBGB und von der UBS Stiftung für Soziales und Ausbildung unterstützt wurde, führte das Team über 70 Interviews. Befragt wurden neben Mitarbeitenden mit und ohne Beeinträchtigung auch Vorgesetzte, Jobcoaches, Arbeitsvermittlungen und weitere Expertinnen und Experten.
Die gewonnenen Erkenntnisse bildeten die Basis für die Entwicklung der Website tourismus-mitenand.ch. Diese enthält Text- und Videobeiträge über ausgewählte Berufe und zum Berufsalltag. «Unternehmen erfahren, wie Mitarbeitende mit Beeinträchtigung ihre Arbeit erleben. Und Mitarbeitende mit und ohne Beeinträchtigung sehen, welche Chancen und Herausforderung es in verschiedenen Unternehmen gibt», sagt Widukind Zenker.
Darüber hinaus finden sich auf der Website Informationen zum Arbeitsmarkt, Unterstützungsangebote, Links zu Beratungsstellen und vieles mehr. Das Projekt zeigt auch die Herausforderung für Unternehmen: Integration von Menschen mit Beeinträchtigung bedeute erst mal Veränderung. Rosenberg-Taufer erklärt: «Die Führungsebene muss die Mitarbeitenden vorgängig informieren und allenfalls motivieren.»
Das Team muss im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigung geschult werden. Oft ist es notwendig, die Infrastruktur im Betrieb anzupassen, vor allem wenn der Arbeitsplatz rollstuhlgängig gemacht werden muss. Diese Investitionen können aber wiederum auch den Gästen zugutekommen, die selbst eine körperliche Beeinträchtigung haben. Zudem werden die anfallenden Kosten teilweise durch die öffentliche Hand subventioniert. Einige Unternehmen arbeiten zusätzlich mit Jobcoaches, die Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung und den ganzen Betrieb im Alltag unterstützen.
Unternehmen und Arbeitssuchende zusammenbringen
Im Zuge des Projekts wurden 21 Betriebe befragt, welche Erfahrungen sie im Alltag mit Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung gemacht haben. Unter den Interviewten sind vier Unternehmen aus der Region Luzern: das Hotel Schweizerhof, das Seminarhaus Bruchmatt, das Ristorante Italiano Da Fusco in Willisau und das Restaurant Quai4. In den Betrieben begrüsst man das Projekt und insbesondere die Website. «Damit können wir uns als Unternehmen über Einsatzmöglichkeiten informieren, uns bei Bedarf mit Fachpersonen vernetzen und Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen», sagt Noël Wirth, Leiter Detailhandel im Quai4.
Ein solches Beispiel könne dazu beitragen, dass Unternehmen, über den Tourismussektor hinaus, mehr Stellen für beeinträchtigte Menschen anbieten. Das Projekt wird mit der Fertigstellung der Website per Ende 2018 abgeschlossen. Barbara Rosenberg-Taufer ist zuversichtlich: «Wir hoffen, damit künftig möglichst viele Unternehmen und interessierte Mitarbeitende zusammenzubringen. Dies würde die Integration von Menschen mit einer Beeinträchtigung in unsere Arbeitswelt und damit in unsere Gesellschaft endlich voranbringen».
Weitere Informationen unter: www.tourismus-mitenand.ch
Autor: Pascal Zeder
Foto: Hotel Wasserfallen