Aktualisierung vom 26. November 2020:
Der Hochschulrat hat am 26. November 2020 Eckwerte für die Hochschulweiterbildung verabschiedet, bei denen auf Zulassungsquoten verzichtet wird.
Dadurch werden unterschiedliche Laufbahnen innerhalb unseres Bildungssystems durch dessen Durchlässigkeit in der Schweiz also auch in Zukunft unterstützt.
In der Weiterbildung sollen die Kräfte des freien Marktes spielen – so der politische Wille, der Anfang 2017 mit dem Weiterbildungsgesetz umgesetzt wurde. Dies gilt somit auch für die Weiterbildungsprogramme (CAS, DAS, MAS) der Hochschulen. Sie müssen kostendeckend angeboten werden und dürfen nicht wettbewerbsverzerrend wirken.
Der Weiterbildungsmarkt entwickelt sich aufgrund der hohen Anforderungen des Arbeitsmarkts und dem damit verbundenen Bedarf nach laufender Verbreiterung und Vertiefung von Kompetenzen seit Jahren dynamisch. Sein Volumen wird heute auf rund 5.8 Mrd. Fr. geschätzt. Der Anteil der Hochschulen beträgt ca. 6,2 Prozent, wobei die Universitäten mit 2,6% und die Fachhochschulen mit 2,9% ungefähr gleich viel dazu beitragen (den verbleibenden Anteil decken die Pädagogischen Hochschulen ab). Obwohl die Hochschulen keineswegs eine dominante Rolle auf dem Weiterbildungsmarkt spielen, wird ihre Entwicklung in diesem Bereich immer wieder kritisch bewertet. So gibt es Stimmen, die behaupten, die Hochschulweiterbildung konkurrenziere die Höhere Berufsbildung, obwohl sich die Profile der Angebote deutlich unterscheiden und damit unterschiedliche Bedürfnisse abdecken. Andere Stimmen deuten an, dass das Weiterbildungsangebot der Hochschulen mit Geldern der öffentlichen Hand subventioniert würde, wobei die gesetzlichen Regelungen hierzu eindeutig sind: Die Vollkosten müssen vollständig durch Teilnehmendenbeiträge gedeckt werden, wodurch der Weiterbildungsbereich die allgemeinen Leistungen und Infrastrukturen der Hochschulen mitfinanziert und auf diese Weise die öffentliche Hand entlastet. Wieder andere munkeln umgekehrt, dass die Hochschulen mit der Weiterbildung «ein grosses Geschäft» machen würden. Dies dürfte aufgrund der Vollkostenrechnung, die auch die hohen Investitionen in Neuentwicklungen umfassen, ebenso eine Fehlannahme sein, die im Wesentlichen auf der Verwechslung von Umsatz und Gewinn beruht. Weiter wird kritisiert, dass die Hochschulen in der Weiterbildung von ihrem öffentlich finanzierten guten Ruf profitierten. Fach- und Führungskräfte dürften allerdings kaum dauerhaft Weiterbildungen an (Fach-)Hochschulen besuchen, wenn damit kein hoher Bildungsnutzen verbunden wäre. Ein guter Ruf muss durch gute Leistung verdient sein und lässt sich nicht einfach aus einem akademischen, öffentlichen Status ableiten. Insgesamt insinuieren die verschiedenen Kritikfelder ein institutionelles Selbstinteresse der Hochschulen an Umsatzgenerierung und -maximierung auf Kosten des Steuerzahlers. Das Gegenteil ist der Fall – doch offenbar zeitigt der negative öffentliche Diskurs dennoch Wirkungen:
Auf der politischen Bühne werden aktuell Stimmen laut, die eine vermehrte Regulierung fordern. Der jüngst etablierte freie Weiterbildungsmarkt soll für die Hochschulen wieder eingeschränkt werden. Dies konterkariert allerdings ihren Auftrag: Hochschulen sollen ja gerade keine abgehobenen Elfenbeintürme sein und ihr Wissen zum Nutzen von Gesellschaft und Wirtschaft zur Verfügung stellen. Dies können sie insbesondere durch ihre laufend aktualisierten Weiterbildungsangebote tun. Vor allem die Fachhochschulen, zu deren «DNA» die doppelte Ausrichtung auf Praxis und Wissenschaft gehört, sind dafür prädestiniert, Fach- und Führungskräfte für eine sich rasch wandelnde, an Vernetzung und Komplexität zunehmende Arbeitswelt zu qualifizieren. Die Nachfrage nach Fachhochschulweiterbildung ist ein Indiz dafür, dass es diesen Institutionen offenbar sehr gut gelingt, ihre Angebote konsequent an den Bedürfnissen der Arbeitswelt auszurichten. Wieso sollen sie dann zurückgestutzt werden?
Die Krux bei der Sache ist die Zulassung
Der Ruf nach Regulierung macht sich aktuell vor allem an der Frage fest, welche Rahmenvorgaben für die Zulassung zur Weiterbildung an Schweizer Hochschulen gelten sollen. Konsens besteht darin, dass der «Königsweg» die Aufnahme von Personen mit einem Hochschulabschluss sein soll, und Personen ohne Tertiärabschluss (weder A noch B) nur in absoluten Ausnahmefällen aufgenommen werden. Dissens besteht in Bezug auf die Frage, unter welchen Bedingungen Personen mit einem Abschluss der Höheren Berufsbildung (Tertiär B) Zugang haben sollen.
Es stellt sich somit die Frage nach der Positionierung der Höheren Berufsbildung gegenüber der Hochschulweiterbildung bzw. nach der Traverse von einem tertiären Bildungsbereich in einen anderen. Der berufspraktische Bildungsweg führt erwiesenermassen zu einer hohen Arbeitsmarktfähigkeit. Absolventinnen und Absolventen der Höheren Berufsbildung nehmen – in ihren ganz spezifischen Fachgebieten – in der Berufswelt häufig vergleichbare Aufgaben wahr wie Hochschulabsolventinnen und -absolventen. Entsprechend haben sie oft auch die gleichen Weiterbildungsbedürfnisse, bzw. möchten ihre Expertise in gleichen Feldern weiter ausbauen und vertiefen. Es ist zentral, dass diesen Berufspersonen ein lebenslanges Lernen auf verschiedenen Wegen ermöglicht wird und ihnen somit auch der Zugang zur Hochschulweiterbildung offen steht. Notabene stellt die Durchlässigkeit zwischen Bildungsbereichen eine wesentliche Stärke des Schweizerischen Bildungssystems dar und ist eine Grundlage unserer aufstiegsoffenen Gesellschaft. Nur wenn Durchlässigkeit gewährleistet ist, enden Bildungsbiografien nicht in «Sackgassen» und ist ein offener Zugang zu neusten Erkenntnissen sichergestellt – eine wesentliche Voraussetzung für die heutige Wissensgesellschaft. Alles andere käme einer anachronistischen Versäulung des Bildungssystems gleich.
Wichtig ist, dass der Einstieg im berufspraktischen Bildungsbereich nicht den Weg verbaut, dereinst eine wissenschaftsbasierte Qualifikation erwerben zu können. Die Traverse von der Höheren Berufsbildung in die Hochschulweiterbildung ist allerdings an klare Bedingungen zu knüpfen: Erforderlich ist eine mehrjährige qualifizierte Berufspraxis in einem für die jeweilige Weiterbildung einschlägigen Berufsfeld sowie ausreichende wissenschaftliche Kompetenzen. Die Hochschulen haben dies zu garantieren.
Quote: Manche hätten dann einfach Pech
Eine konkrete aktuelle Forderung besteht in der Einführung einer Quotenregelung für Hochschulweiterbildungen: «die Mehrheit» oder «deutlich mehr als die Hälfte» der Teilnehmenden solle über einen Hochschulabschluss verfügen. Damit würde es bei der Traverse von der Höheren Berufsbildung in die Hochschulweiterbildung nicht mehr darum gehen, dass diese an klare Bedingungen im Bereich der Kompetenzen geknüpft ist, die eine Bewältigung der Anforderungen sicherstellen. Vielmehr käme ein sachfremdes Kriterium ins Spiel: Sie wäre davon abhängig, wie viele andere Personen gleichzeitig eine Hochschulweiterbildung absolvieren möchten. Hinzu kommt, dass eine allgemeine Quote ein Steuerungsinstrument ist, das den unterschiedlichen, durch die Organisationen der Arbeitswelt formulierten Entwicklungsbedürfnissen in den verschiedenen Berufsfeldern nicht gerecht wird. Man hätte es mit einer statischen Grösse zu tun, welche den sich oft sehr dynamisch verändernden Situationen in der Arbeitswelt nicht entspricht. Sollte es zum Beispiel zu dem politisch gewünschten Zuwachs in der Höheren Berufsbildung kommen, müsste entsprechend auch ein Zuwachs an Teilnehmenden mit Hochschulabschluss stattfinden, um die entsprechende Quote zu erreichen; wenn sich dies so nicht einstellt, werden immer mehr Personen der Höheren Berufsbildung um notwendige Entwicklungsmöglichkeiten gebracht. Zudem wäre ein aufwändiges staatliches Reporting- und Prüfsystem aufzubauen und eine Instanz zu definieren, die bei Bedarf interveniert.
Eine Quote für die Zulassung von Personen mit einem Abschluss der Höheren Berufsbildung würde innerhalb des bisher offenen Bildungssystems der Schweiz auf einem wichtigen Bildungspfad eine Barriere einführen, welche die Chancengleichheit gefährdet und die Entwicklungsmöglichkeiten von Fach- und Führungskräften einschränkt. Es gäbe dann Personen, die «Glück haben», dass sie eine bestimmte Weiterbildung absolvieren dürfen, die für sie passend ist. Andere in einer gleichen Situation hätten dann einfach «Pech gehabt».
Hochschulweiterbildung stärken statt schwächen
Würden Personen mit einem Abschluss der Höheren Berufsbildung nur noch selektiv zu Hochschulweiterbildungen zugelassen, stellt dies die etablierte Wertigkeit der Höheren Berufsbildung in Frage. Zudem könnte ein Teil der Weiterbildungsangebote den Fach- und Führungskräften nicht mehr zur Verfügung gestellt werden, da in einzelnen Berufsfeldern die erforderliche Zahl der Hochschulabsolventinnen und -absolventen für das Einhalten einer Quote fehlt. Ein schwer einzuschätzender Abbau des Weiterbildungsangebots von Fachhochschulen wäre die Folge. Weiter würde die Einführung einer Quote den schweizerischen Hochschulstandort insgesamt gegenüber ihren internationalen Konkurrenten nachhaltig schwächen, die sich nicht an solche nationalen Regelungen halten müssen und zunehmend auf den Markt drängen. Fraglich ist schliesslich, ob die Hochschulen den von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft geforderten Bildungsauftrag und den Wissenstransfer (aus der Forschung in die Praxis) noch ausreichend wahrnehmen könnten.