Shpresa Spahiu ist eine Frau mit Visionen, und eine davon ist die Reform des albanischen Sozialwesens. «Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Andere Länder, darunter die Schweiz, haben gute Ansätze, die wir übernehmen wollen, und dies möglichst, ohne allfällig begangene Fehler zu wiederholen», sagt die Direktorin der NGO «Help for Children», die Kinder aus Randgruppen, etwa Romas, und ihre Familien unterstützt. Sie führt eine Delegation aus Entscheidungsträgerinnen und -trägern diverser Ministerien, Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie Sozialarbeitenden an, die für ein paar Tage in der Schweiz weilen, um zu hören, wie die Dinge hier angepackt werden. Bernard Wandeler, Dozent und Projektleiter der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, der dank diverser Projekte in Albanien gut mit den dortigen Verhältnissen vertraut ist, hat das Programm zusammengestellt. Die vier Tage in der Schweiz sind vollgepackt: vom offiziellen Empfang bei Martin Merki, dem Vorsteher der Luzerner Sozialdirektion, über Besuche bei der Caritas, dem Schweizerischen Arbeiterhilfswerk (SAH) Zentralschweiz und der Gassenarbeit bis zum Fondue-Abend ist alles mit dabei. Die Gespräche und Vorträge finden in englischer Sprache statt; viele der Gäste beherrschen die Sprache gut. Eine Dolmetscherin übersetzt ins Albanische, wenn es nötig ist.
Ideen im Gepäck, Entscheidungsträgerinnen und -träger im Rücken
Frau Spahiu hat die Reisegruppe zusammengestellt. Weil Bürgermeisterinnen und Bürgermeister die Reformen mittragen sollen, hat sie darauf geachtet, dass auch einige davon mit in die Schweiz reisen. «Das Sozialwesen soll dezentralisiert werden und damit näher zu den Leuten rücken, die es brauchen. Doch in vielen Gemeinden fehlen die nötigen Strukturen und Personen. Deshalb ist es essenziell, dass wir die dortigen Entscheidungsträgerinnen und -träger mit ins Boot holen», erklärt sie. Die Gruppe interessiert etwa, wie die Rollen und Verantwortlichkeiten im Schweizer Sozialwesen ausgestaltet sind, wie die Budgets aufgeteilt werden, welche Rolle NGOs spielen oder wie sich Professionelle der Sozialen Arbeit weiterbilden. Gerade hätten sie einen Vortrag über Schulsozialarbeit gehört, erzählt Spahiu beim Gespräch. Diese gebe es in Albanien noch nicht, es sei aber geplant, sie einzuführen. Auf die Frage, inwiefern denn Albanien, wo die Bedingungen ganz anders seien als hierzulande, von der Schweiz profitieren könne, erläutert Spahiu, es gehe um das «How do you do things?» und nicht darum, wie viel Geld beispielsweise für Massnahmen zur Verfügung stehe. Bei den Teilnehmenden der Studienreise würden Gedanken angeregt, setzten sich Ideen fest; sie merke an deren Fragen, dass sie das Gehörte gleich auf die Verhältnisse zu Hause adaptierten. So entfalte der Besuch in der Schweiz – es ist nach 2014 bereits der zweite seiner Art – seine nachhaltige Wirkung.
Der Austausch wirkt in Albanien und der Schweiz nach
Auch Bernard Wandeler ist von der Nachhaltigkeit des Besuchs überzeugt. Für die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit sei er eine Investition in die Zukunft: Man knüpfe neue Kontakte, die für die Forschung und Lehre wichtig seien, wenn es etwa um die Akquisition neuer Projekte gehe oder darum, den Studierenden eine spannende Studienreise ins Ausland zu ermöglichen. «Letzten Herbst waren wir mit den Master-Studierenden in Albanien; sie waren begeistert», erzählt Wandeler. Für kommenden Herbst plane er eine Reise mit Bachelor-Studierenden. Und es setze auch gegen innen ein Zeichen, wenn eine ausländische Delegation die Schule besuche. An der Unterstützung, die er bei der Organisation des Besuchs der Albanerinnen und Albaner von allen Seiten erhalten habe, so Wandeler, sehe er, wie stolz die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit darauf seien, den ausländischen Gästen ihre Arbeit zeigen zu dürfen. Nur ein Lapsus sei bei der Planung des Besuchs der albanischen Delegation passiert: «Unsere Gäste wollten vor dem Abflug zurück in die Heimat in Zürich einkaufen gehen. Zu spät ist uns eingefallen, dass wegen eines Feiertags alle Geschäfte geschlossen waren…»