Die Uhr am Handgelenk von Beat Weinmann unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von den bisherigen ochs und junior-Modellen. Ein schlichtes Zifferblatt, dazu die kleinen Löcher der Datumsanzeige, die mit lediglich fünf Bauteilen auskommt und die Monate mit 30 oder 31 Tagen erkennt – eine Spezialität der jungen Uhrenmarke aus Luzern. Der Unterschied liegt im Gewicht. «Diese Uhr wiegt nur halb so viel, wie unsere bisherigen Uhren», sagt Weinmann, Mitbegründer und CEO von ochs und junior. Ihr Gehäuse besteht aus Carbon. Gefertigt hat es Jonas Elmiger als Bachelorarbeit für sein Maschinentechnik-Studium an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur. Das Luzerner Uhrenunternehmen war Industriepartner.
«Uhren wirken hochwertig, wenn sie schwer sind», sagt Weinmann. Gehäuse aus Titan oder Silber haben ein höheres Gewicht und vermitteln damit dieses Qualitätsgefühl. Seit sich Faserverbundwerkstoffe, allen voran mit Carbon als Verstärkungsfaser, stark verbreitet haben, hat auch in der Uhrenindustrie ein Umdenken stattgefunden. «Namhafte Uhrenhersteller, die Grossserien herstellen, arbeiten seit einiger Zeit mit dem leichten Carbon», sagt Weinmann. «Durch die Zusammenarbeit mit Jonas Elmiger konnten wir nun Erkenntnisse über den Einsatz dieses Materials als Uhrengehäuse gewinnen.»
Neues Material, gleiche Geometrie
Das herkömmliche Uhrengehäuse von ochs und junior besteht aktuell aus Titan und Sterling Silber 925. «Die Herausforderung beim Carbon bestand darin, die Anforderungen bezüglich Oberflächengüte, Masshaltigkeit, Steifigkeit und Dichtheit zu erfüllen, ohne die Gehäusegeometrie zu verändern», so Elmiger. Mit einer 5-Achsen-CNC-Fräsmaschine stellte er Spannvorrichtungen und Pressformen her und bearbeitete das Gehäuse. Sein Fazit nach dem Bau von fünf Prototypen: «Die komplette Uhr wiegt mit 35,3 Gramm rund 49,6 Prozent weniger als das Titan-Modell », sagt der 25-jährige Luzerner. Dies, obwohl er die Gewinde zugunsten der Langlebigkeit dieser Bauteile nicht in Carbon gefertigt habe.
«Die Bachelorarbeit hat uns gezeigt, dass die Verarbeitung aufwändig und kostenintensiv ist», sagt Weinmann. Deshalb bleiben die fünf Uhren, die komplett gefertigt wurden, in naher Zukunft die einzigen Luzerner Carbon-Uhren. «Wir haben den Fokus bei ochs und junior nicht auf das Material gerichtet, sondern weiterhin auf die radikale Vereinfachung der Mechanik und des Designs.» Dennoch sei man froh, den Umgang mit Carbon kennen gelernt zu haben. Und: «Einige Neuerungen werden wir trotzdem übernehmen», sagt Weinmann. Bei der Fertigung der Prototypen habe man nämlich zusätzlich zum Carbon-Gehäuse noch weitere gewichtssparende Massnahmen ausprobiert – beispielsweise die relevanten Bauteile aus Aluminium. «Diese werden wir wohl künftig einsetzen, wenn wir eine leichte Uhr herstellen wollen.» Ein weiterer Beitrag zur leichten Uhr war das Armband, das wieder einen starken Bezug zur Hochschule Luzern hat. Entwickelt und gefertigt wurde es von Sabrina Brägger, Textildesign-Absolventin an der Hochschule Luzern – Design & Kunst. «Sie hat für uns schon Armbänder aus Störleder entworfen, für die Carbon-Uhr hat sie nun ein besonders leichtes Armband unter anderem aus Kevlar hergestellt – inklusive Etui», sagt Weinmann, dem der Austausch am «Qualitätsstandort Luzern», wie er es nennt, sehr wichtig ist.
Forschung zu Uhrentechnik geht weiter
Elmigers Themenwahl für seine Diplomarbeit kam nicht von ungefähr. Laut Dozent Ralf Legrand, der die Arbeit betreut hat, wird im Kompetenzzentrum Mechanische Systeme an der Hochschule Luzern schon länger im Bereich Uhrentechnik geforscht. So laufe beispielsweise ein Projekt zu handgeschmiedetem Damaststahl, der bei Uhren zum Einsatz kommen soll. «Zusammen mit Partnern wie ochs und junior können wir es schaffen, in der Zentralschweiz eine Uhrenkompetenz aufzubauen», sagt Legrand. Dazu gehöre auch die Zusammenarbeit innerhalb der Hochschule Luzern. Legrand: «Die Carbon-Uhr ist ein gutes Beispiel dafür, was zwei Hochschuldepartemente wie Technik & Architektur und Design & Kunst mit interdisziplinären Projekten hervorbringen können.»