Ein Team von Studierenden der Hochschule Luzern möchte im Rahmen des REXUS-Programms ein biologisches Experiment an Bord einer Höhenforschungsrakete fliegen. Das Team hat vorgeschlagen, mit Hilfe von Froscheiern den Effekt von Mikrogravitation (Schwerelosigkeit) auf mechanosensitive Ionenkanäle zu untersuchen.
REXUS steht für Rocket Experiments for University Students und ist ein Ausbildungsprogramm des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und dem Swedish National Space Board (SNSB). Studententeams können sich für einen Platz auf einer der beiden Höhenforschungsraketen bewerben, welche jährlich im Rahmen dieses Programms gestartet werden. Da die Schweden ihren Anteil an alle Mitgliedstaaten der European Space Agency (ESA) öffnen, können sich auch Schweizer Studierende an diesem Wettbewerb beteiligen. Die Teams müssen sich in einem zweistufigen Selektionsverfahren behaupten, um ein Flugticket zu erhalten.
Bisherige Meilensteine
- Frühjahr 2014: Die Studenten Mathias Hosennen und Yves Métry erarbeiten im Rahmen ihrer Bachelor-Thesis ein erstes Konzept für die Flughardware.
- Herbst 2014: Die bisherigen Bachelor-Studenten werden in die Berufswelt entlassen und drei neue Studenten, Christoph Hardegger, Mario Felder (Bachelor) und Tobias Plüss (Master) ergänzen das Team. Das Experiment wird beim REXUS-Programm eingereicht.
- Dezember 2014: Der Luzerner Vorschlag wird in die engere Auswahl aufgenommen. Das Team kann deshalb das Experiment am ESA-Technologie-Hauptsitz (ESTEC) in Noordwijk (Niederlanden) vorstellen. Es gelingt, den Expertenausschuss zu überzeugen. Das Weltraum-Flugticket ist dem Studierenden-Projekt sicher.
- Januar 2015: Die erste Version der Student Experiment Documentation (SED) ist fällig.
- Februar 2015: Im Rahmen der Student Training Week am DLR in Oberpfaffenhofen, Deutschland, absolviert das Team den Preliminary Design Review (PDR). Während zahlreichen Lektionen und Diskussionen mit den Experten, konnten viele technische und operationelle Aspekte im Zusammenhang mit Höhenforschungsraketen besprochen werden.
- Mai 2015: Die zweite Version der Student Experiment Documentation (SED) ist fällig.
- Juni 2015: Im Rahmen des Evaluationsprozesses des REXUS-Programms absolviert das Team den Critical Design Review (CDR) am Sitz des DLR in Oberpfaffenhofen, Deutschland. Es schafft den CDR im ersten Versuch.
- September 2015: Die dritte Version der Student Experiment Documentation (SED) ist fällig. Kurz darauf wird der Integrationsfortschritt des Experiments im Integration Progress Review (IPR) überprüft. Der Review fand in den Laborräumen des Studententeams statt und wurde durch einen Experten des REXUS-Programms abgenommen.
- November 2015: Die vierte Version der Student Experiment Documentation (SED) ist fällig. Wiederum fand anschliessend ein Review an der Hochschule Luzern statt. Diesmal demonstrierte im Experiment Acceptance Review (EAR) das Team die Funktion des Experiments und dass es sicher betrieben werde kann. Das Experiment ist somit für den Raketenflug REXUS 20 zugelassen.
- Dezember 2015: Während der Integrationswoche in Bremen (Deutschland) wurde das Experiment zum ersten Mal mit dem Raketenmodul zusammengebaut. Alle mechanischen, elektrischen und Kommunikation Schnittstellen wurden getestet. Ebenfalls wurden der Countdown und der Zeitplan während dem Flug zum ersten Mal geübt. Zudem wurde die mechanische Struktur auf die Widerstandsfähigkeit gegen die Vibrationen beim Start mit einem Rüttelversuch überprüft.
- Januar 2016: An der DLR in Oberpfaffenhofen (Deutschland) wurde der Bench Test durchgeführt. Alle Kommunikationsschnittstellen und elektrischen Schnittstellen wurden ausgiebig getestet. Die einzelnen Raketenmodule wurden zum ersten Mal zusammengebaut. Zudem wurden die letzten 10 Minuten vom Countdown und der Zeitplan währen dem Flug durchgespielt und potentielle Probleme zu identifizieren.
Technologie
Höhenforschungsrakete
Das Experiment findet auf einer Rakete des Typs Improved Orion statt. Diese ist modular aufgebaut, so dass mehrere Experimente auf der gleichen Rakete stattfinden können. In einem rund 10-minütigen Flug wird die Rakete mit bis zu zwanzigfacher Erdbeschleunigung auf rund 82 Kilometer Höhe aufsteigen und anschliessend mit einem Fallschirm wieder auf der Erde landen.
Aufbau
Das Experiment-Modul ist stockwerkartig aufgebaut:
- Zuoberst ist die Mess- und Steuerungselektronik untergebracht, die das Experiment automatisch kontrolliert.
- Darunter folgen zwei Schubladen, sogenannte Late-Access-Module, auf denen je drei Messkammern befestigt sind. In diesen Messkammern findet das eigentliche Experiment statt. In jeder Messkammer befindet sich ein Froschei (Oozyt), an dem der Ionenfluss durch die Zellmembran während des Fluges gemessen wird.
- Zuunterst sind schliesslich Behälter für Medien untergebracht.
Da das Experiment lebende Froscheier verwendet, sollen diese möglichst spät in die Rakete geladen werden. Die Late-Access-Module machen dies möglich.
Hintergrund
Gravitation ist eine der vier fundamentalen Kräfte, die auch die Entwicklung des Lebens stark beeinflusst hat. Viele Tiere und wir Menschen verfügen über Organe, welche es ihnen erlauben sich anhand der Gravitation im Raum zu orientieren.
Mit Beginn der bemannten Raumfahrt wurde klar, dass die Schwerelosigkeit, auch Mikrogravitation genannt, drastische Auswirkungen auf den Körper und einzelne Organe hat. Erstaunlicherweise hat die Mikrogravitation nicht nur Auswirkungen auf Organe, sondern auch auf einzelne Zellen.
Bis heute ist nicht restlos geklärt, wie Zellen äussere Kräfte wahrnehmen können. Neben anderen Proteinen wird vermutet, dass mechanosensitive Ionenkanäle in der Zellmembran eine entscheidende Rolle spielen. Das Team aus Luzern will deshalb untersuchen wie sich diese Kanäle unter Mikrogravitationsbedingung verhalten.
Der massive Muskel- und Knochenschwund, unter welchem etwa Astronauten insbesondere bei längeren Weltraumflügen leiden, kann auch bei älteren Leuten auf der Erde beobachtet werden. Aus diesem Grund eignet sich der Weltraum hervorragend als mechanobiologisches Labor, um solche Veränderungen zu studieren.