Unter den Bachelor-Arbeiten im Objektdesign des Sommers 2020 beschrieb eine Studentin die aktuelle Situation junger Produktdesigner*innen mit provokanten Fragen: Was ist der Zweck von Design heute? Was ist meine Verantwortung als Gestalter*in? Was braucht die Welt?
Die Bachelor-Ausbildung im Objektdesign richtet sich an Studierende, die sich diesen Fragen zu stellen bereit sind. Die Welt verändert sich rasend schnell und ist heute eine ganz andere als die, in der das Objektdesign vor elf Jahren initiiert wurde: industrielle Massenproduktion findet vielfach unter unklaren Bedingungen auf anderen Kontinenten statt, der online-Handel revolutioniert das Einkaufsverhalten und die Städte, Fridays for Future hat junge Menschen politisiert, soziale Selbstverständlichkeiten der Gesellschaft geraten aktuell ins Wanken und der Klimawandel ist fraglos die ganz grosse Herausforderung der Gegenwart.
Unser Verhältnis zur Industrialisierung ist zwiespältig: Das Erbe der Industrialisierung betrachten wir als eine unverzichtbare Quelle für das Know-how im Umgang mit Materialien, Produktionsmethoden, Ergonomie und Funktionalität.
Die Ausbildung des Objektdesign setzt daher am Fundament des Produktdesign an. Die Werkstätten vermitteln verschiedenste, handwerkliche wie computergestützte Fertigungsverfahren. Studierende üben das Darstellen von Hand, im Modellbau und mit Zeichenprogrammen. In anwendungsorientierten Szenarien mit Partnerfirmen lernen die Studierenden externe Bedürfnisse kennen und entwerfen Projekte steigender Komplexität – allein, in Gruppen und in interdisziplinären Teams. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Material und seinen Eigenschaften, damit Rohstoffe von Beginn an als konkrete, endliche Ressource wie auch als Quelle sinnlicher Erfahrung begriffen werden.
Wir erkennen aber auch die Nebeneffekte der Industrialisierung als Auslöser ökologischer und sozialer Instabilität und verstehen ihre Unvereinbarkeit mit Modellen einer lebenswerten Zukunft. Es heisst, wir seien, was wir konsumieren. Objektdesign erweitert das Betätigungsfeld des Produktdesigns um Bereiche jenseits der Industrie – von Kleinserien für spezifische Bedürfnisse bis hin zur Fertigung von Einzelstücken für individuelle Anwendungen. Studierende denken und praktizieren mögliche Zukunftsperspektiven des Konsums von der Suffizienz bis zur Kreislaufwirtschaft: als Konsument*innen, als Gestaltende, als Gesellschaft.
Die Studienrichtung Objektdesign setzt sich dabei selbstbewusst in die Zwischenräume der Gesellschaft – dorthin, wo unsere Absolvierenden selbst Verantwortung übernehmen und Chancen ergreifen können. Diese hybriden Zwischenräume gibt es überall: zwischen bestehenden Berufskategorien, etablierten Produktgattungen, Fertigungsverfahren und Materialgruppen, zwischen soziokulturell verankerten Denk-, Verhaltens- und Ernährungsmustern. Studierende sind in diesem Sinn Individuen, die im Studium den Raum bekommen, auf ihren Leidenschaften, Erfahrungen und bereits erworbenen Kompetenzen aufzubauen ihr ganz eigenes Profil zu entwickeln.
Kann das Objektdesign mit seinem Anspruch Studierenden eine berufliche Perspektive bieten? Wir sagen: ja. Die globale Konsumgesellschaft hat einen Tipping-Point erreicht. Alternative Haltungen zum Umgang mit Rohstoffen, Mobilität, Besitz, Ernährung, Inklusion sind keine Utopien mehr, sondern unsere Verantwortung. Politik und etablierte Unternehmen zeigen sich bereiter denn je, sich zu positionieren und für eine zukunftsfähige Gesellschaft zu engagieren. Dafür braucht es junge Objektdesigner*innen, die sie dabei professionell unterstützen. Und Objektdesigner*innen, die unternehmerisch ihre eigenen Visionen verwirklichen.
Christoph Schindler
im November 2020