Experiment mit Gesichtserkennung. Media Lab, 2016
Post-Fotografie
Im Zuge der Digitalisierung hat sich die Fotografie von einem eigenständigen Medium zu einer vielfach vernetzten Medienpraxis entwickelt. Während der herkömmlichen Fotografie die konventionellen Technologien und das damit verbundene Handwerk abhandengekommen sind, erweitern und automatisieren «smarte» Technologien die Bildherstellung.
Die Werkzeugpalette der post-fotografischen Bildermacher*innen erweitert sich. Hierzu zählen beispielsweise: Laser-basiertes 3D-Scanning, Infrarot, Schnelligkeits-, Höhen- und Bewegungsmessung, 360°-Fotografie, sowie Film für Virtual Reality, Augmented Reality, Drohnen, aber auch weitere «sehende Maschinen» («Seeing Machines», Trevor Paglen (2014)). Mobiltelefone sind heute ausgestattet mit avancierten Technologien, die vormals nur in hochspezialisierten Fachkontexten angewendet wurden.
Fotografie wurde von der Disziplin des «Sehens» (Bilder, die der optisch-physischen Wahrnehmung entsprechen) zu einer visuellen Praxis, die abbilden kann, was wir nicht sehen, sondern «wissen»: Unsichtbares wird sichtbar (zum Beispiel mit Infrarot).
In diesem Studienschwerpunkt werden die kreativen Potentiale als auch die kritischen Aspekte der post-fotografischen Möglichkeiten erforscht. Im Bereich künstlicher Intelligenz werden beispielsweise Bilderkennung und Bildgenerierung mithilfe von Software und Daten untersucht.
Grundlegende Texte zu diesem Thema sind u.a. auf dem Blog «Still Searching» sowie auf den SITUATIONS-Webseiten des Fotomuseums Winterthur zu finden.
360 Grad-Aufnahme
Dank erweiterter Bildherstellungsverfahren entstehen für Visual Storyteller*innen auch neue Anwendungsmöglichkeiten beim Verfassen transmedialer Narrative. Weil digitalisierte Technologien auf Regeln basieren und selbst nicht kreativ und kritisch denken, ist es unabdingbar, dass Visual Storyteller*innen konzeptuelle kreative Fertigkeiten entwickeln. Damit lassen sich Techniken anwenden zum Zweck bedeutungsvoller zwischenmenschlicher Kommunikation.
In einer digitalen Medienkultur definiert sich die Qualität visueller Medienprojekte nicht mehr nur über die technischen und ästhetischen Bildeigenschaften. In der gegenwärtigen fotografisch-visuellen Praxis haben konzeptionelle Herangehensweisen wie Intention, Inhaltskonstruktion und Rezeptionsart an Bedeutung gewonnen.
Zum post-fotografischen Diskurs zählen auch kritische Fragen zu den Bildtechnologien als neue Formen der Wahrnehmung und Erkenntnis. Eine weitere zentrale Frage ist, wie die avancierten Bildmedien die Sehgewohnheiten der Menschen nachhaltig beeinflussen und prägen.
Photogrammetrie
3D-Scanning, Photogrammetrie
Ein 3D-Laserscanner tastet seine Umgebung mit Laserstrahlen ab, vermisst den Raum und erstellt eine Punktwolke aus Koordinaten. Diese Aufnahmen bilden die Grundlage für das photogrammetrische Verfahren. Eine Software rekonstruiert aus einer Serie perspektivisch unterschiedlicher Bilder ein digitales 3D-Modell. Diese Technik ermöglicht eine Wireframe-basierte 3D-Modellierung und findet in Archäologie, Architektur und experimentellen fotografischen Medien ihre Anwendung.
Workshop in collaboration with Camera Arts, BeAnotherLab (Barcelona) and Fotomuseum Winterthur, 2017
Virtual Reality
Virtual Reality erweitert physische Raumerfahrungen mit simulierten, die mehr oder weniger der Realität entsprechen. Mittels 360 Grad-Fotografie und -Film lassen sich interaktive Geschichten und Spiele konstruieren, in denen sich die Nutzer*innen virtuell in Raum und Zeit bewegen.
Diese Technologien sind aber auch relevant für die Kognitions- und Neurowissenschaften, die Psychologie, Sozialarbeit, Anthropologie und weitere Disziplinen. Dann nämlich, wenn ein Erkenntnisgewinn zu erwarten ist aus der Übersetzung abstrakter Informationen in wirklichkeitsnahe Erfahrungen.
Lichtempfindlichen Keramikplatten. Özlem Petri, 2014
Experimentelle bildgebende Verfahren
Abgesehen von den vorhandenen Möglichkeiten wird auch mit aussergewöhnlichen bildgebenden Verfahren experimentiert. Beispielsweise stellte Özlem Petri selbst eine Camera obscura mit lichtempfindlichen Keramikplatten her. Damit lichtete sie alte, unter Naturschutz stehende Bäume in der Umgebung von Baustellen in Emmenbrücke ab . Auf Holz und Leinwand registrierte sie die Rinden von einer Eiche und fünf Lindenbäumen. Experimentelle bildgebende Verfahren entwickeln oftmals projektspezifische eigenständige ästhetische Qualitäten.
Weitere Informationen zum Projekt